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Jagd in Udmurtien


Es ist der 2. September im Jahre 2009
Sergey und ich sind auf dem Weg zum Flughafen München. Eine in Russland zum Leben erweckte Leidenschaft hat dieses Jahr unsere übliche Bergtour ins Alteigebirge zu einer Jagdreise werden lassen. Unterwegs gehen Sergey und ich noch mal gedanklich die Packliste durch, in der Hoffnung, alles dabei zu haben.

 
 
 
 
 
 


Unsere mehrjährige Erfahrung in den Tiefen der sibirischen Taiga und meine zusätzliche Ambition für die Jagd haben mein Gepäck auf über 36 Kilo Gesamtgewicht anschwellen lassen, was am russischen Aeroflot-Schalter sofort eine Summe von 120 Euro Nachgebühr fällig werden lässt. Sogleich regnet mein verbaler Unmut auf ein unschuldiges Münchner Kindl-Geschöpf hinterm Schalter herab. Na, das fängt ja gut an!

Wer sagt`s denn: Angekommen an einem der vier Moskauer Flughäfen, sorgt Sergey dafür, dass sich kleine chinesische oder koreanische Drängler vor den mit Menschenmengen überfüllten Zollschaltern brav in der Reihe anstellen und vor allen Dingen - hinter uns. Wäre ja noch schöner.

Michael und Andrey, unsere russischen Kunden und Freunde, stehen schon zum Empfang bereit, und wir freuen uns, die 15 Kilometer bis zum Hotel in einer für Moskau angemessenen 'Stopp and go- Zeit' von etwa 1 ½Stunden zu schaffen; und des Abends sitzen wir gemeinsam in unserem Moskauer Stammrestaurant nach bayrischer Art.

Ich trinke erst einmal ein Franziskaner Hefeweizen. Es folgen alle Schmankerl durcheinander - vornehmlich russische, dann bayrische, und als alle 'voll'- äh 'satt' sind, geht’s heim, den morgen beginnt die Zugreise mit dem Nachtzug im Schlafwagen ins Udmurtische Land, 1800 Kilometer östlich von Moskau, vor dem Uralgebirge, in die dortige Hauptstadt mit dem Namen Jschewsk.

Die Reise dauert über 18 Stunden, aber wir gönnen uns ja auch sonst nie was. 'Zusammengeschweißt' sitzen wir palavernd die Zeit ab, und wenn einer von uns vier 'Jagdtouris' vom Pinkeln ins Abteil zurückkommt, sieht man schon deutlich, wie dessen Stirn in Falten liegt und ein tiefes Luftholen sorgfältigst vermieden wurde.

 
 
 
 
 
 


Dann holen uns am Bahnhof in Jschewsk zwei japanische Geländewagen ab, organisiert von unseren Freunden. Und ab geht’s in die Pampa. Nach dem Einkaufen europäischer Munition fahren wir etwa 250 Kilometer nordwestlich ins eigentliche organisierte Jagdgebiet.

Ja, wir sind da, ein symbolisches Hinweisschild mit einem Bär drauf zeigt uns die letzte Abbiegung zum Jagdhof mit der Jagdhütte, die jetzt zwei Wochen lang unsere russische Heimat werden soll.

 
 
 
 
 
 


Und, wer ist das? Da kommt plötzlich eine Dorfschönheit mit einer etwas kratzbürstigen Mimik auf uns zu und stellt sich als Natascha vor, die - so erfahre ich nebenbei - uns diese lange Zeit bekochen wird und uns fünf gestandene Mannsbilder versorgen soll.

So geht es plötzlich Schlag auf Schlag: Ich darf mir ein Zimmer aussuchen und nehme das mit Fenster, auch wenn es das ist, wo die Mittagssonne gerade eine gnadenlose Hitze hinterlassen hat, weil keine Vorhänge vorhanden sind.

Dann kommt er, der Jagdhofchef Wladimir Rijabov. Sein feststehendes Jagdmesser lässig an den Gürtel geschnallt. Instinktiv vergleiche ich ihn sofort mit meinem deutschen Revierchef. Noch wage ich keine Aussage, sehe aber jetzt schon, dass sein grimmiger Blick keine Widersprüche zulässt und lasse unseren deutschen Sergey mit seiner diplomatischen Art die ersten zarten Bande knüpfen.

 
 
 
 
 
 


Kurz danach steuern die beiden auf mich zu und Wladimir lässt Sergey übersetzen. Er sagt: 'In einer Stunde ist Abfahrt, auf Kanzeljagd, eine Waffe bringen sie dir gleich mit, sonst brauchst du nichts'. Etwas verdattert höre ich Sergeys Übersetzung und bin überrascht, so schnell mitten drin zu sein.

Ich räume mein Gepäck ins Zimmer, richte gleich meinen Jagdrucksack her und harre voller Vorfreude der Dinge, die jetzt passieren werden.

Ein kleiner geländegängiger Lkw fährt vor. Sergey macht mich mit einem zweiten Sergey bekannt. Ich nenne ihn gedanklich sogleich Sergey 2.

Er ist ein russischer Berufsjäger, durchtrainiert und wiegt vielleicht 60 Kilogramm. Er gibt mir eine Waffe, auf den ersten Blick ein Büchsenrepetierer. Mehr kann ich ohne Brille sowieso nicht erkennen. Wir steigen ein in die russische Kiste. Es ist etwa 16.00 Uhr, los geht’s.

Wir fahren raus auf die Landstraße, hinein in ein Dorf mit dem Namen Kopki und verlassen dieses wieder hinter einer auffällig zusammengefallenen Kirche, die eine wunderschöne Baukonstruktion aufweist, aber leider seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben ist.

 
 
 
 
 
 


Dann mitten im Urwald, wir fahren oder hoppeln durch Russlands Peripherie, als ein kleiner Traktor entgegenkommt und uns zwingt, auszuweichen. Wir stecken sofort fest und müssen uns mit der eingebauten Seilwinde unseres Unglücksfahrzeugs selber aus dem schlammigen, morastigen Untergrund herausziehen; weiter geht’s.

Nach etwa zwei Stunden Fahrzeit im durchwegs sandigen Waldboden, laden wir Sergey 1 an einer Weggabelung ab. Er zieht zu Fuß und schwer bewaffnet mit einem fünfschüßigen Repetierer davon, irgendwohin, dort wo ihn Sergey 2 die vergangenen zehn Minuten leise und verhalten eingewiesen hatte. Nun bin ich dran: Weitere 20 Minuten Fahrzeit später, halten wir und Sergey 2 gibt mir zu verstehen, mein Zeugs zu packen und ihm zu Fuß zu einem Hochsitz zu folgen. Es ist heiß. Etwa vier Kilometer Fußmarsch weiter durch den unkultivierten Wald erreichen wir eine Lichtung. Leise pirschen wir uns heran, ein kleines Haferfeld mitten im Urwald, sogleich schlägt mein Herz Purzelbäume. Eine russische Kirrung für Bären und Sauen liegt vor mir.

Sergey 2 verabschiedet sich und vor Schweiß tropfend gehe ich alleine weiter, steuere den Hochsitz an, der vielleicht 50 Meter vorm Waldrand entfernt mitten im Feld steht und in einer kleinen Remise auf einer halbwüchsigen Birke Platz gefunden hat.

Auf dem Weg dahin sehe ich Bärenkacke, die zur Hälfte aus unverdautem Hafer besteht und sehe die mir bekannten Schwarzwildfährten mit den deutlichen Geäfterabdrücken in dem sandigen Feldboden. Ich sitze, versuche meinen Schweißfluss zu stoppen und übe mit der geliehenen Elch 9-1 mögliche Anschlagsarten. Das ist eine fünfschüßige russische Jagdwaffe, ein Repetierer mit dem üblichen Kaliber .30.06, bestückt mit einem aufgesetzten Nachtsichtgerät, inklusive einer zweieinhalb fachen Vergrößerung.

Es ist 19.00 Uhr, noch brennt die Sonne herunter. Aufregung mischt sich nun mit Neugier und löst in mir ein unbehagliches Bauchgefühl aus. Längst habe ich nach deutscher Ausbildungsgrundlage alles ausgepackt, die Windrichtung geprüft und fahre mit meinem Fernglas die Waldränder ab. Etwa 400 Meter lang und 300 Meter breit ist das Haferfeld, ist umgeben von einem typisch russischen Wald-Baumbestand, vornehmlich bestehend aus Birken, Kiefern, Erlen und Weichholzarten.

Die Sonne geht unter. Ich ziehe mich leise und mit langsamen Bewegungen für die Nacht an. Hier im hohen russischen Norden soll es nachts einen Temperatursturz bis zu 20 Grad geben. Da hab` ich vorgesorgt, musste dafür aber auch eine Menge Zeugs mittragen. Als ich heute meinem Einweiser zu dem halbhohen Sitz hinterhergelaufen bin, hat der mich nur belächelt.

Es ist beinahe windstill. Geduckt sitze ich nun da, lausche in die aufkommende Dämmerung. Da höre ich ein Knacken und leichtes Rollen aus Richtung 12 Uhr vor mir im Wald. Da kommt etwas - schießt es mir in den Kopf und ich halte den Atem an.

Ein großes braunes Bündel Fell schält sich plötzlich aus der Dickung am Waldrand. Ich glaube es nicht, ein richtiger Braunbär mit vom Rumpf aus nach unten schwarz werdenden Pranken steht da vor mir und sogleich taxiere ich ihn nach seiner Größe. Etwa 150 Kilogramm müsste er wiegen, denke ich, etwas zu klein. Ein vom Unterkiefer aus am Hals entlang und weiter nach unten führenden weißen Streifen macht ihn sofort unverkennbar.

Meine Augen verfolgen ihn, mein Puls schlägt unter Höchstlast. Der Bär dreht seine Runde auf dem Feld, reißt immer wieder die reifen Hafertriebe ab und kaut genüsslich darauf herum. Zehn Minuten geht das schon so. Immer wieder hebt er sein Haupt, zieht Luft in seine großen Nasenlöcher ein und - bei Gott - er nimmt mich nicht wahr.

Da passiert noch etwas. Ungläubig schaue ich zu, wie auf 3 Uhr hinter mir eine Rotte Sauen aus der Dickung kommen. Langsam bevölkern acht Frischlinge (noch gestreift) und zwei Bachen das Haferfeld. Ich beobachte, darf aber nur Keiler schießen und ausgewachsene Braunbären oder alleinziehende über 2 Jahre alt. Also bleibt mir heute nur ein absolut spannendes Bühnenbild.

Der Bär ist männlich, das sehe ich deutlich, und hat mich in einem Abstand von vielleicht 20 Meter bereits umrundet. Vorsichtig drehe ich mich mit. Da zieht er erneut Luft ein, stößt ein blasendes 'Wuff' aus und flüchtet mit einem Satz in den Wald zurück. Polternd und knackend donnert er davon und die Rotte Sauen mit einem Mal hinterher. Meine Bühne ist wieder leer!

Frierend sitze ich nun da, gönne meinem ausgetrockneten Hals frisches russisches Wasser und sinniere: 'Das glaubt mir keiner, hätte ich doch nur ein Foto gemacht.' Aber wer denkt ihn solchen Augenblicken an so etwas. In meinem Kopf sind die Bilder gespeichert und nur das zählt.

Es ist weit nach 22.00 Uhr und der Mond geht langsam auf. Ich versinke ihn Gedanken. Das war ein langer Tag, die Büchse über den Knien lässt kein Nickerchen zu, abstellen will ich sie nicht, wüsste auch nicht, wie oder wo. Es gibt keine annehmbare Möglichkeit hier oben und komfortabel ist der winzige in den Baum gehauene Leitersitz bestimmt nicht. Wieder höre ich etwas und zucke zusammen. Gespenstisch teilt der Vollmond mit einer neu geformten Baum-Skyline das Feld in Licht und Schatten. Da steht was am Waldrand!

Mein Jagdinstinkt kehrt zurück, schon habe ich das Gesehene im Nachtvisier meines Repetierers. Es ist eine große Sau, die langsam von weiter Entfernung aus über das Feld zieht. Ich suche die Umgebung nach einer Rotte ab und stelle fest, dass die Sau allein gekommen ist. Es ist ein Keiler mit all seinen typischen Merkmalen. Der Puls schlägt mir bis zum Halse. Mein Unterbewusstsein sagt:„Schieß aufs Blatt, damit der ja nicht abhauen kann - hier im `sibirischen Outback`“.

Bumm, eine .30.06-Kugel verlässt den Lauf und sogleich höre ich einen langezogenen quietschenden Schrei der Sau. Im Visier sehe ich sie auf der Stelle zusammenbrechen und ich freue mich. Dann versuche ich mir die Anschussstelle einzuprägen, wohl wissend, dass die Sau sowieso keinen Schritt mehr machen kann. Aber plötzlich höre ich Minuten später ein dumpfes warnendes Grunzen; der vermeintliche Keiler ist nicht tot. Scheiße, was mach ich nun?

Eine halbe Stunde später, gegen 23.00 Uhr, kommt der russische Klein-Lkw, um mich abzuholen. Mit der Taschenlampe winke ich und schreie zu den beiden Sergey`s hinüber, dass eine angeschossene Sau im Feld liegt. Ich steige vom Baum ab und mit gespannter Büchse und leuchtender Taschenlampe gehe ich in Richtung Anschuss, gefolgt von den beiden Sergeys.

Ich finde sie nicht. Hinter mir unverständliche russische Gesprächsfetzen: 'Komm, weiter geht’s'.Und da, im Lichtstrahl meiner Taschenlampe, liegt etwas großes Graues. Ich pirsche mich heran, sehe, dass er es ist: der Keiler. Er lebt tatsächlich noch. Ich gebe ihm den Fangschuss, jetzt ist er tot.

 
 
 
 
 
 

Ein paar Zentimeter zu hoch hat ihn der Durchschuss unter der Wirbelsäule am Leben gelassen, aber bewegen konnte er sich nicht mehr. Etwa 130 Meter oder mehr ist der Drückjagdsitz entfernt. Nach den üblichen Glückwünschen für den Jagderfolg laden wir den Keiler auf den Lkw und treten den Heimweg an

Großer Jubel bei meinen russischen Freunden. Auch der hiesige Jagdchef gratuliert und meint anerkennend, es sei der größte Keiler der Saison, etwa 150 Kilogramm schwer. Wodka und ein paar essbare Kleinigkeiten verteilt Sergey 1 in die Runde, die sich sogleich aufmacht, den Keiler aufzubrechen und an Ort und Stelle zu zerlegen. In einer unglaublich schnellen Viertelstunde oder höchstens 20 Minuten, liegt dann auch nur mehr die Schwarte auf der Wiese. Der geschossene Keiler ist Geschichte und gegen 2 Uhr morgens kommen wir endlich alle ins Bett. Ein langer Jagdtag geht zu Ende.

Nataschas Frühstück lässt allgemein gute Laune aufkommen: Es gibt Spiegeleier und Pfannkuchen mit Kaviar. Das wertvolle Eiweiß füllt unsere Energietanks und gleich bin ich mit Sergey 1 und Natascha unterwegs in den Jagdhof.

 
 
 
 
 
 

Ein Bärengehege zeigt eindrucksvoll, welche Größe die Bären erreichen können; weit über 2,5 Meter ist ein männlicher Insasse groß und brummt uns an, als wir das mitgebrachte Brot an zwei kleinen Nachwuchsbären verfüttern wollen. Gehalten werden die hier für Ausbildungszwecke.

Der Jagdhof ist auch die größte russische Zuchtstation für Laikas (Huskies), eine russische Jagdhund-Rasse. Etwa 120 Hunde leben hier, erklärt Natascha und entsprechend lautes Gebell empfängt uns. Viele Preise hat er schon einfahren können, Wladimir der Jagdchef. Er ist stolz, uns seine Pokale und Sachpreise vorzuführen zu können.

 
 
 
 
 
 

Mittags gibt es jede Menge gekochtes Keilerfleisch. Danach fahren Sergey 1 und ich mit zu Schießübungen, in eine stillgelegte Kies-, nein, eher in eine verlassene Sandgrube und schauen zu, wie der russische Experte ein Nachtvisier einschießt. Auch wir dürfen ein bisschen rumballern. Das alles in der stechenden Mittagshitze.

 
 
 
 
 
 

Nachmittags geht’s wieder auf den Ansitz. Diesmal habe ich zunächst keinen Anblick, aber etwas Schnaubendes schleicht hinter meinem aus Birkenästen errichteten Drückjagdsitz im Wald herum. Eichelhäher schreien laut ihren Protest heraus, aber zu Gesicht bekomme ich diesmal nichts. Gegen 1.00 Uhr bin ich zurück in unserer Jagdhütte. Meine Freunde jagen nicht. Sie fischen eher und das können sie sehr gut. Jeden Tag gibt es, entweder als Vor- oder Nachspeise, gebratenen Fisch aus den Teichen nebenan vom Jagdhof.

 
 
 
 
 
 


Dann am 3. Tag hier im rund 1000 Einwohner großen Dorf gehen wir gemeinsam einkaufen. Es gibt zwei Supermärkte, naja, eher Gemischtwarenläden. In einer Auslage sehe ich ein mir bekanntes Produkt aus dem Westen, ein Baunty (Kokosriegel). „Ich will davon bitte zehn“, sage ich. Die etwas ältere, sympathische und mit Goldzähnen ausgestattete Verkäuferin lächelt mich an und Sergey 1 übersetzt: 'Es gibt nur den einen'. Okay, alles klar.

 
 
 
 
 
 


Den Riegel nehme ich mit zur Jagd, denn heute geht’s wieder raus. Ein anderer kettenrauchender Fahrer holt mich heute ab. Sergey 1 bleibt zu Hause, will endlich in die russische Banja (Sauna) nebenan und ein Schwätzchen halten mit seinen ehemaligen Landsleuten. Schweigend sitze ich im russischen geländegängigen Uaz und wir rumpeln durch das sechzig tausend Hektar große Revier des Wladimir Rijabov. Es geht vorbei an ausgestorbenen ehemaligen Dörfern. Die ausgewanderten Russlanddeutschen und die in den Neunzigern aufkommende Landflucht haben diese Geisterdörfer geschaffen.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Weit weg davon sitze ich nun wieder auf einem etwa 2,5 Meter hohen schaukelnden Birkenbaumsitz, wieder ein kleines Haferfeld vor mir und schaue noch der Sonne ins Gesicht. Geduld ist gefragt. Nach zwei Stunden taucht die Sonne im Westen ab und hinterlässt ein feuerrotes Horizontbild. Hier im russischen Urwald sieht das aus wie aus einem Jurassic Park-Film.

Gegen 20.00 Uhr höre ich etwas anwechseln: Holz bricht irgendwo und 40 Meter links neben mir auf 9 Uhr sehe ich einen braunen Bärenkopf aus dem Dickicht des Waldrandes herausschauen. Die rechte vordere Pranke folgt und bevor sie den Boden berührt, zieht der Bär sie schon wieder zurück. Der Bärenkopf verschwindet ebenfalls und die Geräuschkulisse vom Anwechseln weicht dahin zurück, wo sie hergekommen ist. Der Wind hat mich verraten. Säuselnd zieht er meinen Geruch genau dort hinüber, wo der Bär heraustreten wollte. Mann! Ich bin etwas geschockt und gleichzeitig enttäuscht. Nun esse ich erstmal den Bounty- Riegel, ziehe mich warm an und entspanne mich so gut es geht.

Später geht der Mond auf. Leicht bewölkt kämpft sich sein Licht herunter, es bleibt duster und kalt. Meine Waffe dient auch als Beobachtungsobjektiv. Gegen 22.00 Uhr drehe ich mit der Visierung wieder eine Runde auf meinem Repetierer und - mir stockt der Atem. Weit draußen auf 9 Uhr am Waldrand steht ein Bär und prüft den Wind. Groß und mächtig saugt er mit erhobenem Haupt die Luft ein. Jetzt gilt es schnell und präzise zu sein. Die Waffe ist schon im Anschlag und gleich gespannt. Wo anhalten? Dies ist ein Bär! 'Gnade dir Gott, wenn du den nicht tödlich triffst und nachsuchen musst', rauscht es mir durch den Kopf. Also, aufs Blatt zielen.

Wieder verlässt eine .30.06-Kugel den Lauf meiner Waffe und der Bär brüllt noch an Ort und Stelle beim Zusammenstürzen. 'Was hast du jetzt gemacht?', denke ich. Der Bär liegt da und brüllt, dass es nicht auszuhalten ist. Seine Hinterbeine zucken in der Luft, etwa zwei Minuten lang, dann wird es still. Ich traue dem Frieden nicht. Das dunkle Etwas bleibt aber Gott sei Dank da draußen liegen. Ich bilde mir ein, im Mondlicht die Konturen zu erkennen.

Nervös bleibe ich sitzen und als gegen 23.00 Uhr die Lichter des Lkws auftauchen, gebe ich dem Fahrer ein Zeichen, im Auto zu bleiben. Ich schreie 'Mischka-Mischka', was auf Russisch Bär heißt, in seine Richtung. Der versteht sofort was ich meine. Ich baume ab, hole mit der schussbereiten Waffe die zwei russischen Laikas (Huskies) von der Ladefläche des Lkws und lass sie laufen.

Nach einem kurzen Rundum-Suchlauf mit der Schnauze am Boden finden die beiden in etwa 150 Meter Entfernung schnell den angeschossenen Braunbären, bellend tanzen sie um ihn herum. Ich komme vorsichtig dazu. Das Tier zuckt immer noch mit den Hinterläufen. Bei einer guten hundefreien Gelegenheit gebe ich einen Fangschuss in seine Kammer ab, sehe, dass der Bär auf die Angriffe der beiden Huskies nicht mehr reagiert. Er ist tot.

 
 
 
 
 
 


Der Fahrer heißt Alexander und fährt nun so dicht wie möglich an den geschossenen Braunbären heran, um ihn aufzuladen. Aber wie bringt man ein so schweres Tier auf die Ladefläche? Ich schlage mit einer Axt drei gleich große etwa vier Meter lange Birken um, nehme zwei der Stämme und baue eine Rampe zur Ladefläche. Mit dem dritten versuche ich den Bär hinauf zu hebeln, es gelingt erst, als Alexander mit einer Kette die Vorder- und Hinterläufe festgemacht hat und von oben - über einen Haken am Führerhaus - das Tier gegen das Zurückrutschen absichert hat.

Der Bär mit einem Gewicht von weit über 200 Kilogramm liegt oben, meine Klamotten sind einschließlich der Jacke durchgeschwitzt. Jetzt soll's zügig heimgehen.

Prompt versacken wir mit dem Uaz in einem schlammigen Wegstück. Das Zusatzgewicht hat ihn bis zu den Achsen tief eingraben lassen. Nachdem wir die eingebaute Seilwinde vom Schlamm befreit haben können wir uns selbst aus dem Schlamassel ziehen. Gegen 2.00 Uhr kommen wir zu Hause an. Alle werden geweckt und die gleiche Prozedur wie beim Keiler beginnt von Neuem. So ist halt die russische Tradition.

Nach dem Erfolg gilt es erst einmal auszuschlafen. Doch das ist weit gefehlt, denn Wladimir hat eine Hundetreibjagd organisiert und mich als Jäger eingeplant. Zehn Lizenzen für den Braunbärenabschuss hat er vom russischen Staat gekauft. Die muss er jetzt natürlich weitergeben.

Das ökologische und ökonomische Gleichgewicht des Jagdhofes und seiner Umgebung ist mir noch nicht ganz klar. Ich sehe viele Einwohner des Dorfes, die offenbar im Jagdbetrieb und an der Hundezucht beschäftigt sind. Es gibt sonst nur ein kleines Krankenhaus und eine staatlich organisierte Milchwirtschafts-Kolchose.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Von irgendwelchen Verbiss oder Brechschäden des Wildes im Umfeld der Kolchose erfahre oder sehe ich nichts. Es gibt offenbar kein Rot-oder Rehwild, weil das Klima hier sehr kalt ist.

Um 6.30 Uhr werden Sergey 1 und ich abgeholt. Es geht wieder hinaus in das große Jagdgebiet. Mit dabei sind vier der besten Spürhunde von Wladimir, dem Jagdchef. Sergey 1 und ich sind gespannt, was auf uns zukommt. Vorsichtshalber haben wir unsere gefüllten Bundeswehrwasserflaschen umgeschnallt. Unsere Bergschuhe sind mit Gamaschen aufgerüstet und ich habe die optische Visiereinrichtung der Waffe gleich daheim gelassen. „Gejagt wird, was die Hunde aufstöbern“, lässt der Jagdchef unmissverständlich über Sergey ausrichten. Das bedeutet: Er will Jagerfolge um jeden Preis. Sergey 1 hört noch heraus, dass die Nase eines der Hunde auf Bärengeruch spezialisiert ist. Ich bin gespannt.

Nach eineinhalb Stunden Fahrzeit mit einem Kleinbus, ähnlich eines deutschen VW-Bus, landen wir auf einem Feld und suchen nach Spuren. Wladimir zeigt mir Bärenabdrücke in niedergetretenen Flächen im Feld, auch große Elch-Schalenabdrücke und vor allen Dingen Schwarzwild-Spuren.

 
 
 
 
 
 


Die Hunde werden auf diese Spuren angesetzt und freigelassen. Schon verschwinden sie mit lautem Gebell in den Dickungen und wir zu dritt sofort hinterher. Sergey 1, Wladimir und ich rennen was das Zeug hält. Oftmals verliert sich das Gebell als Orientierung. Kurz stehen bleiben und die neue Richtung ausloten, dann geht es weiter. Wladimir hört nicht mehr gut und hat deshalb einen Kopfhörer auf, durch den die Akustik verstärkt wird und der auch von deutschen Jägern oftmals verwendet wird.

Nach mehreren Kilometern und etwa zweieinhalb Stunden später wird das Gebell deutlicher. Alle sind wir außer Puste und im Stehen orientieren wir uns neu nach der genauen Richtung. Wladimir wundert sich über meine Kondition und erkundigt sich bei Sergey 1. Dieser erzählt ihm etwas von einem 'trainierten Alpinisten'. Das ist wohl etwas übertrieben, aber Wladimir fragt nicht weiter nach.

Dann 50 Meter vor uns haben die Hunde etwas gestellt. Ich muss näher ran. Von weitem sehe ich die Hunde um ein braunes bewegtes Fellbüschel herumspringen. 'Es ist ein Mischka', sage ich zu Wladimir, der sofort über Sergey 1 ausrichten lässt, ich solle ihn erlegen. Aber ich solle ja nicht schießen, wenn seine Hunde herumspringen und auch nicht, wenn einer hinter dem Bär in meinem Kugelfang sein könnte. Die Kugel könnte gegebenenfalls durchschlagen und dann sei der Hund tot.

Ich höre schon nicht mehr hin, für was habe ich in Deutschland eine solide Ausbildung gemacht? Und so pirsche ich mich heran. Sergey 1 sucht sich einen Baum zum Hinaufklettern. Er hat keine Waffe dabei. Bis auf 20 Meter komme ich heran, der Bär hat mich längst in der Nase und versucht von den Hunden loszukommen. Er schlägt und beißt um sich, aber eine Schussmöglichkeit ergibt sich nicht. Nur nicht nervös werden, denke ich und bin mir meiner Überlegenheit sicher. Eine Jagd, von der man sonst nur träumen kann!

Da steht der Bär auf. Ich ziele auf seinen Hals, bin sicher, dass ich keinen Hund gefährde. Krachend verlässt das Geschoss den Lauf meines Gewehrs und der Bär taumelt. Er stürzt zu Boden und die Hunde zerren schon an ihm. Ich repetiere sofort nach, meine Knie werden wieder stabil. Wladimir kommt heran und zu zweit gehen wir auf das Tier zu. Der Bär liegt am Boden. Er öffnet nochmals seine Augenlieder, doch Sekunden später rollt er die Augen nach unten. Er ist tot.

 
 
 
 
 
 


Wladimir gratuliert mir zu diesem Schuss. Ich sehe, es ist eine Bärin, die es da erwischt hat, etwa drei bis vier Jahre alt und vielleicht 130 Kilo schwer, meint Wladimir. Sergey 1 kommt dazu, die Hunde werden gelobt und das gewohnte Prozedere beginnt von Neuem.

Ich bin nicht glücklich über diesen Abschuss. Die Bärin sieht eher aus wie ein großes Kuscheltier und ich zweifle an meiner Jagdleidenschaft. Ich spüre ein großes Bedauern der Bärin gegenüber. Mann, warum haben die Hunde keine Sau oder einen Elch gestellt?

Als dann über Funk die anderen Jäger verständigt werden und etwas später eintreffen, wird die Bärin abtransportiert. Alle nennen Sie mich Glücksjäger, und ich schäme mich fast für den letzten Schuss.

Zu Hause kann ich nicht mit ansehen, wie sie die Bärin zerschneiden und gehe zurück zur Hütte. Keinen Bären will ich mehr schießen und sage zu Sergey 1, dass wir heimfahren können: Die Mission sei ja erfüllt.

Da kommt unser Jagdchef, als ob er meine Stimmung geahnt hätte, und schlägt vor, ab jetzt auf Lockjagd zu gehen. Ich solle unbedingt noch einen Elchhirsch schießen. Meine Leidenschaft zu jagen, gewinnt wieder Oberhand und ohne zu zögern, stimme ich sofort zu.

Am nächsten Tag geht’s schon los, gegen Abend raus ins Revier, zu fünft. Zwei der Jäger kundschaften auf leisen Sohlen die Einstände der Elche aus.

Wladimir, Sergey 1 und ich bilden wieder ein Jagdteam. Wenn einer der Kundschafter was hört oder vielleicht auch nur vermutet, was gehört zu haben, ruft er per Funk Wladimir und schon pirschen wir zu dritt los. Wladimir mimt den Brunftschrei eines Elchs nach! Ein kurzes heiseres oouuaaacchhhh! Und immer wieder oouuaacchhhh!

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Wladimir platziert mich so, dass ein brunftiger Hirsch theoretisch an mir vorbei kommen muss, wenn er seinen Kontrahenten sucht. Das bedeutet, ich warte an einer Stelle, an der möglichst von drei Seiten Geländeübersicht besteht, sei es durch Wegkreuzungen, natürliche Waldlichtungen oder Kahlschläge durch den Staatsforst. Wladimir geht dann gegen die vermutete Ankunftsrichtung des Elchs hinter mir in den Wald, brüllt mehrere Male den Brunftschrei in die Nacht, bricht Äste und knackt herum, als wenn ein leibhaftig Testosteron gesteuerter Elch toben würde. Eigentlich müsste nun der Platzhirsch an mir vorbei kommen, um seinen Nebenbuhler zu stellen. So ist es gedacht und - naja - theoretisch wäre es dann sein letzter Gang.

Die Methode hat sich hunderte Male schon bewährt. Nur bei uns klappt es nicht. Ein paar Mal hören wir einen Elch antworten, wechseln dann sofort unsere Stellung und gehen auf ihn zu, wenn es der Wind zulässt.

Viele Nächte sind wir auf diese Art da draußen und stiefeln durch herrliche Landschaften. Mal laufen die Bergschuhe voll mit morastigem Wasser oder wir kommen so verstochen nach Hause, dass unser Spiegelbild aussieht, als ob wir aufgrund der verschwollenen Gesichter pubertierende Teenager wären.

Ich genieße diese jagdlichen Wanderausflüge. Wir kommen jede Nacht müde zurück. Danach eine russisch Banja und der Tag klingt mit Bergen von gekochtem oder gebratenem Bären- und Keilerfleisch aus.

Dann hat Wladimir keine Zeit mehr für uns. Andere Jäger sind gekommen, vom Volksstamm der Tartaren, und sie leben draußen in Zelten, brauchen Wladimir und seine Mannen, wenn sie erfolgreich jagen wollen.

Also gehe ich noch mal auf den Ansitz, bevor es bald heimgeht. Sieben Tage nach meinen ersten Jagderfolg sitze ich wieder am selben Platz. Bei der Hinfahrt mussten wir einen Reifen wechseln, weil wir uns einen Platten gefahren hatten, aber das ist im Nu erledigt. Ein zweiter Jäger ist dabei und auch er wird von Alexander auf einen Ansitzplatz gebracht.

 
 
 
 
 
 


Heute tut sich gar nichts. Fröstelnd, aber locker und unverkrampft, verbringe ich die Zeit mit Gedankenspielen. Viel Glück war mir hier gegönnt und irgendwie freue ich mich. Diana, unsere Jagdgöttin, hatte mir im vergangenen Jahr auch in Deutschland viele erfolgreiche Jagderlebnisse geschenkt. Ein gut organisiertes schwäbisches Jagdrevier bot mir hierfür die allerbesten Voraussetzungen.

Aus einem dösenden Nickerchen erwacht, schau ich zum Waldrand und reibe mir die Augen. Da steht ein Bär, ich habe ihn nicht kommen hören. Aufgeregt verfolgen meine Augen seine Bewegungen. Er reißt immer wieder Haferrispen ab und zermahlt sie kauend. Es ist derselbe, der hier schon einmal seine Aufwartung gemacht hat. Deutlich sehe ich trotz Dämmerung seine Zeichnung: den weißen Streifen am Hals. Minuten vergehen, ich habe ihn im Visier meiner Elch 9-1, aber schießen will ich ihn nicht. Der Vollmond hat seinen Zenit längst überschritten, daher ist es sehr dämmerig und bereits weit nach 22.00 Uhr.

So ein schönes Tier! Ich vergesse, dass ich Jäger bin und danke Gott im Himmel, dass ich noch einmal Gelegenheit habe, diesen Bär zu beobachten. Dann passiert etwas Unglaubliches. Der Bär sichert, aber nicht in meine Richtung, er schaut bewegungslos rüber zur anderen Waldseite und ich drehe mich mit der Visierung, um zu erkunden, was da drüben los ist. Nein, das glaub ich nicht. Da steht eine Riesensau am Waldrand und trabt in Richtung Bär los. Deutlich kann ich die aufgestellten Kammborsten am Rücken erkennen und den angehobenen Pürzel.

Es ist ein Keiler. Seine Körpermasse ist noch größer als die des Bären. Es macht den Eindruck, als wolle dieser Riesenkeiler den Bär vertreiben. Mit erhobenem Wurf trabt er ihn seine Richtung los.

Beide haben noch keinen Wind von mir, vielleicht 80 bis 90 Meter bin ich mit meinem Sitz entfernt. Adrenalin schießt mir bis in die letzten Haarspitzen, da wo noch welche sind. Die Gelegenheit ist günstig, ich fahre mit dem Repetierer mit und lasse ihn hineinlaufen in den Zielstachel. Der Keiler quittiert den Einschlag der Kugel mit einem kurzen 'Buff', bleibt stehen, um dann zurück zu rennen, dahin, wo er wohl herkam. Ich höre ein lautes Krachen am Waldrand und gleich darauf ist es still.

Der Bär ist noch im Echo des Schusses abgesprungen, das habe ich von den Augenwinkeln aus mitbekommen. Ich bin froh, das schöne Tier dem großen Wald unversehrt zurückgeben zu können. Jetzt stellt sich die Frage: wie bin ich abgekommen oder für Nichtjäger, wo oder wie hab ich ihn getroffen? Doch meine bisherigen positiven Erfahrungen lassen mich einfach ruhig und gelassen auf meine Abholer warten.

 
 
 
 
 
 


Alexander und der zweite Jäger helfen mit, meine gefundene hellrote Schweißspur zu verfolgen und als wir am Waldrand stehen, holen wir einen Huskie, der zwei Schritte dahinter ein dunkles graues Etwas anbellt: Objekt gefunden.

Der Schuss sitzt gut und war absolut tödlich, aber man weiß ja nie. Der Keiler hat sich gleich hinter der Waldgrenze zwischen mehreren eng stehenden Bäumen so verkeilt, dass wir ihn herauswinden müssen.

 
 
 
 
 
 


Wir liefern den 'Bassen' zu Hause ab und der Jagdchef freut sich über so viel Jagdglück, so dass auch er viele Fotos für seine Jagddokumentation machen kann. Etwa 220 Kilo wiegt das Tier, genau wissen wir es erst, wenn eine Stunde später die ausgelösten Fleisch und Knochenteile gewogen werden. Die Vermutung bestätigt sich aber.

 
 
 
 
 
 


Wladimir, der Jagdhofchef, gönnt Sergey 1 und mir noch einen Jagd-Spezialausflug. Es gibt Gegenden, wo man nicht, und auch nicht mit geländegängigen Fahrzeugen, in seinem Revier hinfahren kann, ausgenommen mit einem schwimmenden Geologenpanzer. Das soll noch einmal ein Highlight unseres Aufenthalts werden, am letzten Tag vor unserer Abreise.

Am frühen Nachmittag steht statt dem Uaz Gelände-Lkw der Schwimm-Panzer des Jagdreviers vor unserer Hütte und Sergey 2, der Fahrer, winkt uns heran. Sergey 1 und ich packen unsere Ausrüstung hinein und ich nehme vorne, Sergey 1 hinten unsere Plätze ein. Los geht’s.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Wir toben mit dem Panzer über Jungholzflächen, drei bis vier Meter hoher Baumbestand knickt weg wie nichts und jedes Mal, wenn ein größerer Baum auf uns zu kommt, ducke ich mich weg, aus Angst, dass ich nun gleich persönlich Kontakt mit dem Stamm bekomme. Aber die dicke Blechkiste verträgt so Einiges und weiter geht’s. Dann stehen wir vor einer notdürftigen Brücke. Drüber fahren scheint Sergey 2 zu gefährlich zu sein, also muss er durchs Wasser. Es ist ja ein Schwimmpanzer.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Sergey 1 und ich steigen aus und schauen uns das Spektakel lieber vom sicheren Ufer aus an. Alles kein Problem. Souverän lenkt und schwimmt Sergey 2 mit seiner Kiste ans andere Ufer.

 
 
 
 
 
 


Aber beim Hinauffahren auf die Uferböschung macht er den Fehler und fährt zu schräg an. Als er oben ist, sehe ich, dass die rechte Kette aus den Führungsrollen gezogen wird.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Nun denn. Alle haben wir mal in einer Armee gedient, in welcher auch immer. Ruck-zuck und mit vereinten russischen und deutschen Kräften und Wissen ist die Kette wieder da, wo sie hingehört.

 
 
 
 
 
 


Weiter geht’s. Etwa 30 Kilometer sind wir gefahren, da hat Sergey 1 nach dem Kettenproblem oben über dem Führerhaus Platz genommen, denn im Laderaum ist es unerträglich laut und heiß. Ich kann’s verstehen, denn auch ich höre eine Weile fast nichts mehr, als wir am Ziel angekommen sind.

Die beiden Sergeys setzen mich um 19.00 Uhr irgendwo ab und warten in etwa zwei Kilometern Entfernung mit dem Spezialfahrzeug auf mich. Ein idyllisches lauschiges Plätzchen mit einem typisch russisch angelegten kleinen Haferfeld liegt vor mir.

Das letzte Mal heute sitze ich im Udmurtischen Wald, der umgeben ist von zwei riesigen Naturschutzgebieten, weiter oben im Nordwesten das Kirowgebiet und südöstlich der große Perm-Urwald.

Es ist ein herrlicher Abend hier draußen und sogleich werde ich von der Natur belohnt: 20 Meter auf 9 Uhr kommt eine Rotte Sauen aus dem Wald, zehn Frischlinge, die schon ihr gestreiftes Gewand abgelegt haben und nun mit rötlich braunen Borstenkleid aufs Feld ziehen. Mama Bache kommt etwas später, und an der Bestandsgrenze prüft sie noch einmal lang anhaltend den Wind. Aber sie nimmt keine Notiz von mir und friedlich äsend kann ich den Familienbund über drei Stunden beobachten.

 
 
 
 
 
 


Mit Wladimir, dem Jagdchef, verabrede ich ein neues Treffen im Januar nächsten Jahres, wenn die Wolfsrudel einfallen, die hauptsächlich dem Wild-Jungtierbestand den Garaus machen. Dann meldet er sich. Darauf freue ich mich, denn dies ist eine interessante Jagd. Für Wladimir, seine Mannen und dem Dorf bedeutet der Schutz der Jungtiere das wirtschaftliche Überleben und für die Jäger ist es eine große Herausforderung, den listigen Tieren auf den Spuren im Schnee nach zu stellen und überhaupt einmal an sie heranzukommen.

Dies ist die ökonomische Seite der Jagd in dieser Region. Ökologisch war die Zeit zu kurz. Die Natur ist hier noch sehr unverdorben und einfach zu wenig kultiviert, um Antworten zu geben.

'Wir sehen uns wieder und danke für alles', mit diesem Satz verabschiede ich mich von allen, die dazu beigetragen haben, dass ich so viele Erlebnisse mit nach Hause tragen darf.

Mein besonderer Dank gilt Michael Golonyev, meinem russischen Freund und Kunden, seinen Mitarbeiter Andree, dann Sergey Yeremeyev für seine Übersetzungs- und oft stressigen Begleitdienste, Alex Uskov für die Gastfreundschaft in seiner Jagdhütte und nicht zuletzt dem Jagdchef Wladimir Rijabov mit seinen Mannen Sergey, Alexander und wie sie alle heißen. Danke, danke und bis nächsten Mal!

 
 
 
 
 
 

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