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Serbische Jagderlebnisse


Es ist der 28. Oktober im Jahre 2011!
Slavisa und ich haben gerade unseren Flieger nach Belgrad versäumt, verdammt! Das fängt ja gut an. Wir stehen am Lufthansa-Schalter in München und ich fasse es nicht, ein Anschlussflug ist heute nur mehr über Frankfurt möglich. Außer, ja außer im nächsten voll ausgebuchten Flug nach Belgrad, der zwei Stunden später abhebt, kommt jemand nicht, sagt ab oder er schafft es nicht rechtzeitig. Eben genauso, wie wir beide Helden einfach zu lange mit Frühstück herumgetrödelt haben, draußen nach der Gepäckaufgabe. Es waren dann viel zu viele Muslime vor uns am Zoll, die alle nach Mekka wollten, wie uns gerade die nette Stewardess mitteilt und uns tröstet mit den Worten, dass wir wieder hierher kommen sollen an den Schalter, wenn es nicht geklappt hat und sie uns nach Frankfurt umbuchen muss. Aber das Glück ist auf unserer Seite und die nette Stewardess hin oder her, wir sehen sie Gott sei Dank nicht mehr, wir landen bereits in Belgrad!

Ein kleiner verschrumpelter Geländewagen holt uns ab und wir fahren hinunter nach Süd-Ost entlang der Donau, um an der Landesgrenze nach Rumänien in unser eigentliches Jagdgebiet zu gelangen. Die Gegend hier heißt „Banat“ und ist bekannt geworden, weil viele Donauschwaben sich hier angesiedelt und das ursprünglich sandige Gebiet kultiviert haben. Slavisa ist da aufgewachsen und Jäger seit er denken kann, sein Vater und viele Verwandte haben sich der Jagd verschrieben. Ich bin froh, so einen erfahrenen Kenner der serbischen Peripherie bei mir zu haben. Seit etlichen Jahren ist Slavisa mit seiner Familie nun in Deutschland und auch seit Jahren arbeitet er bei mir in meiner Firma als absolut zuverlässiger Logistikmitarbeiter, da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Wir checken ein in eine großzügig gebaute Jagdhütte, unweit der Zufahrtsstraße und ein italienisches Stimmengewirr empfängt uns im etwas überkandidelten Speiseraum oder Jagdsalon, in unserer für neun Tage gebuchten Jagdhütte. Es werden uns Zimmer zugewiesen, Miniaturausgaben von meiner eigentlichen Zimmervorstellung, aber man soll ja nicht immer gleich meckern!

 
 
 
 
 
 


Nun erfahre ich, dass die Scharr der italienischen Jagd-Konkurrenten nur Enten jagen wollen und heute hier nur ihr Abendessen zu sich nehmen. Schlafen werden sie woanders!
Ich hatte schon befürchtet, die nächsten Tage mit den Gigolos die Unterkunft und Küche teilen zu müssen!

Aber schon sind sie weg, die Entenjäger; und etwas verständnislos erfahre ich, dass sie 40.000,- Euro bezahlt haben für die Jagd hier und für ein Jahr. Dafür dürfen sie auf über 30.000 Hektar Fläche hier an der Donau alle Enten und sonstiges fliegendes Federvieh jagen, das ihnen vor die Flinte kommt und das machen die schon jahrelang so. Mein Ding ist das nicht, ich stehe mehr auf größeres Wild, vor allem Keiler haben es mir angetan, aber hier soll es auch viel Rotwild geben und ich möchte gerne meinen ersten Hirsch schießen. Mal schauen, ob das möglich ist.

Nach einer kräftigen Nudelsuppe, serviert vom Koch mit zur Übertreibung neigendem dienerhaften Getue, nein, 'oh Gott', er ist wohl doch eher der Küchengehilfe. Die dominante und honorige und sicher bereits im Rentenalter befindliche Köchin kommt gerade aus der Küche und ihr tiefer Bass reißt mich fast vom Hocker, es ist klar, wer hier das Sagen hat und jetzt verstehe ich auch die durchaus sinnvolle, in sich ergänzende Zusammenstellung des Küchenpersonals. Hahaha, das Traumpaar schlechthin.

Nach dem Essen kommt ein älterer Mann in typischer Jägertracht und stellt sich als Jagd-Chef vor. Er bringt uns Zoli mit. Zoli ist ein erfahrener Jagdführer, wohl Ende vierzig, ein absoluter Kettenraucher, aber er meint sehr ernsthaft, dass es morgen Früh um vier Uhr losgeht, raus zur Pirsch auf Rotwild. Er ist mein zuständiger Begleiter und soll mich zum jagdlichen Erfolg führen. Ich bin gespannt!

Mein Handywecker reißt mich aus dem Schlaf. Vorne im großzügigen Jagdsalon wartet schon und natürlich mit rauchendem Glimmstängel Zoli, er übergibt mit eine einläufige Kipplaufwaffe, beim genauen Hinsehen eine russische Baikal mit einem aufgesetzten Buschnel Zielfernrohr und eine volle Schachtel Munition, .30.06.er Kaliber. Da sitze ich auch schon in einem indischen Geländewagen und gemächlich fährt Zoli hinaus auf den sandigen Wegen, hinein in das mit Kiefern und Birken vornehmlich bewachsene riesige Jagdgebiet, das, wie bereits gestern erklärt, durch das mehrere Kilometer breite Donauflussbett abgegrenzt ist.

Licht aus, die letzten Kilometer fahren wir bei mäßiger Morgendämmerungssicht, bis eine Waldwegkreuzung Zoli zum Halten veranlasst. Es ist soweit, Zoli geht voraus, ich knapp hinterher, es geht denn Weg entlang und nachdem sich Zoli noch mal am Auto richtig ausgehustet hat und dadurch seine Gesichtsfärbung ins Dunkelrote übergeht, zeigt er jetzt vorbildliche Pirschgangqualitäten! Auf den sandigen Wegen sind oftmals frische Spuren von Schwarzwild und Rotwild auszumachen. Hin und wieder meint Zoli die Spur eines Hirsches herauszulesen. Vornehmlich dadurch, dass diese Schalenabdrücke größer sind und durch das Gewicht mehr in den Boden eindringen. Hochgespannt folge ich Zolis Fährtenlese-Aussagen. Immer gegen den lauen Wind schlagen wir neue Richtungen ein, aber abseits der Sandwege im Bestand liegt schon zu dichtes Blattwerk, welches der beginnende Herbst bereits von den Bäumen getrieben hat. Wir bleiben auf den Wegen und nachdem wir eine größere Lichtung queren, geht’s wieder hinein in den serbischen Wald.

Nach etwa 300 Metern steht plötzlich ein Stück Kahlwild am Wegrand und scheint unsere geduckte Pirschgangart neugierig zu beäugen. Zoli bleibt abrupt stehen und deutet mir an, rechts am Wegrand in Deckung zu gehen. Im Zeitlupentempo kriechen wir an den Rand des nächsten Gebüschs und warten ab. Ich ziehe meine Büchse vom Rücken, da kommt plötzlich ein Hirsch neben der Hirsch-Kuh auf den Weg. Zoli zischelt sofort in meine Richtung irgendwas von 5 Kilo und zeigt mir auch gleich eine Hand mit ausgestreckten 5 Fingern. Er drängt mich zu schießen und ich gehe kniend in Anschlag. Da dreht sich der Hirsch und zu meinem Bedauern zieht er einfach wieder zurück in den unübersichtlichen Serbischen Urwald.

Etwas verdattert stehe ich auf und Zoli, sichtlich enttäuscht, meint, dass die Trophäe am Gewicht von 5 Kilo etwa 800,- Euro gekostet hätte, was ja durchaus in meinem Budget gelegen hätte. Als ich stehend eine weitere Erkundungsrunde mit meinen Augen drehe, sehe ich auf der anderen Seite des Weges im Bestand einen großen Hirsch stehen und hols der Teufel, er hat mich ausgemacht, in großen Sprüngen verliert sich seine Erscheinung wie ein Gespenst im Unterholz der nächsten Biegung den Hang hinunter. Ich glaube zu ahnen, was nun Zoli über mich denkt und jetzt nach fast drei Stunden Pirschgang kehren wir zurück in unser Jagdhaus. Wartend öffnet uns Slavisa die Tür und erkennt wohl augenblicklich an meinem finsteren Gesichtausdruck, was uns widerfahren ist.

Die knorrige Köchin fragt nach meinem Frühstückswunsch und ich gebe Pfannkuchen in Auftrag. Missmutig stopfe ich mich dann mit sechs oder sieben Pfannkuchen voll und trinke Tee dazu. Der Kaffee hier erscheint mir verwöhnten Latte Macchiato Trinker geschmacklich unmöglich. Nescafe ist einfach nicht mein Ding.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages soll ich auf Keileransitz gehen. Zu meinem Entsetzen heißt es, dass auch mein Betreuer Zoli mit auf der Sau-Kirrungskanzel sitzen wird.

So was habe ich noch nie erlebt, aber Slavisa erklärt mir, dass das hier gesetzlich so vorgeschrieben ist und ein Jagdgast so wie ich niemals beim Jagen allein gelassen werden darf mit scharfer Waffe.
Außerdem kann er, sollte tatsächlich ein Keiler anrücken, den sicher ansprechen und somit einen weiblichen Fehlabschuss verhindern. Ich beuge mich letztendlich der gesetzgebenden Macht des Staates Serbiens.

Wir sitzen auf einer sehr geräumigen Kanzel auf heruntergekommenen Holzstühlen und ich ziehe mit Freude mein allzeit bewährtes Sitzkissen heraus, das mittlerweile zu meinem 'Maskottchen' mutiert ist. Mit einem Seitenblick auf Zoli meine ich zu erkennen, dass er sich ein nach innen gekehrtes Grinsen nicht verkneifen kann. Vor uns liegt eine von Sauen verwüstete Waldschneise und nach einer halben Stunde auf die Kirrung starren, höre ich das herannahende Geräusch eines Traktors. Ich fasse es nicht, das Geräusch kommt näher und näher und da biegt ein typischer, wohl aus Russland stammender, eckig geformter Allradtraktor mit Anhänger in unsere Waldschneise herein und bleibt zirka 80 Meter vor uns auf der Lichtung stehen. Der Fahrer steigt ab, würdigt uns keines Blickes und fängt an, Maiskolben vom Hänger herunter zu werfen. Da. Da, ich glaube es nicht, kommt doch tatsächlich ein junger Keiler aus der Dickung hinter der Schneise und steht etwa 50 Meter vom Maiskolbenhaufen entfernt in voller Pracht und Größe, um an den Leckertisch zu kommen.

 
 
 
 
 
 


Ich glaube, ich werde hier veräppelt? Die Waffe bleibt, wo sie ist, der Traktor samt Fahrer sind im Schussfeld und Zoli gibt mir zu verstehen, dass dies da vorne kein Keiler zum Abschuss ist. Der Traktor ist weg und eine geschlagene dreiviertel Stunde habe ich nun den gefräßigen etwa zweijährigen Keiler im Anblick und mache etliche Fotos von seinem Auftritt. Dann zieht er ab und die Kirrung ist leer!

Der Tag neigt sich dem Ende zu und es fängt an zu dämmern, nichts tut sich mehr. Zoli hat es tatsächlich ohne Zigarettenqualm bisher ausgehalten und ich harre der Dinge, die jetzt kommen sollen.

Keine Dinge, eine Rotte Sauen zieht plötzlich etwas verhalten aus der Dickung heraus und die Frischlinge und Überläufer wetteifern schon um die herumliegenden Maiskolben. Ich sehe, wie die größeren Bachen sehr, sehr vorsichtig aus dem Bestand herüberäugen und blitzschnell zum Maishaufen laufen, um, geschwind nach den Maiskolben schnappend, wieder in den Bestand zurückzukehren. So läuft das hier also. Die schlauen Bachen wissen, dass ihnen Gefahr droht und ich beobachte weiter sehr angestrengt, ob nicht auch ein reifer Keiler darunter ist. Aber leider steht die Rauschzeit noch bevor und die Keiler ziehen um diese Zeit meist alleine herum.

Es wird sehr duster, der Mond ist noch nicht aufgegangen. Die Rotte macht sich davon und Zoli gibt Zeichen unser Zeugs zu packen und abzubaumen. Jetzt wäre es an der Zeit auf Nachtsichtgeräte umzurüsten, aber die gibt es hier nicht, das ist landesweit verboten. Ich folge seinem Vorschlag, Zoli ist schon fast auf halber Leiter, da höre ich ein Grunzen herüber aus der Dickung! Ich raune Zoli auf Englisch zu, zurückzukommen und nehme wieder auf der nun nackten Stuhloberfläche Platz. Dann traue ich meinen Augen nicht, eine weitere Rotte zieht aus der anderen Seite der Dickung heraus, alles Überläufer-Größe, dann taucht ein ausgewachsener reifer Keiler inmitten der Rotte auf. Ich zittere vor Aufregung, den will ich haben. Aber weit gefehlt, zu meinem Entsetzen sichert die Rotte plötzlich und aus der anderen Ecke rückt die große Rotte, wohl die von vorher, wieder an. Die erste Rotte stiebt auseinander und verschwindet augenblicklich im Wald. Scheiße!

Bange Minuten vergehen, ich versuche in meinem Absehen Unterscheidungsmerkmale der auf unserer Bühne befindlichen Rotte zu ergründen. Vielleicht ist doch noch ein reifer Keiler dabei. Da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie die zurückgewichene kleinere Rotte aus der Dickung zurückkommt. Der deutliche, über den anderen Sauen stehende schwarze Widerrist des schweren Keilers schiebt sich zwischen den anderen Sauen in Richtung Kirrung. Ich ziehe ihn ins Absehen, da schreckt er plötzlich einige Meter zurück. Meine Nerven liegen blank, dann habe ich ihn wieder eingefangen und er steht halbwegs frei, mein Schuss bricht! Die Bühne ist augenblicklich leer!

Da freut sich Zoli, er gibt mir zu verstehen, dass er deutlich gesehen hat, wie der schwere Keiler gezeichnet hat und dass er mit beinah trippelnden Bewegungen, einen engen Bogen schlagend, zurück mit der Rotte in den Bestand geflüchtet ist. Zoli zündet sich seine wohlverdiente Zigarette an und ich kann es kaum erwarten, meine Beute in Augenschein zunehmen.

Wir stehen suchend mit Taschenlampen am wohl gemeinten Anschuss und finden nichts, Zoli sucht dann weiter oben am Bestandseingang, da ist etliche Meter dahinter ein kleiner Weg und er glaubt auf der Fährte des Keilers zu sein, die Schalenabdrücke im Sand verheißen ihm die Spur. Aber da sind so viele Spuren, der Keiler ist nicht zu finden. Kein Schweiß, keine sonst üblichen hellroten Schweißspritzer verursacht durch einen sicheren Lungentreffer. Nicht einmal ein Tropfen abgestreifter Schweiß auf dem Boden oder an irgendwelchen in Nähe des Bodens liegenden Totholzgetümmels! Wir brechen die Nachsuche ab, ein Hund ist nach mehreren Telefonaten heute nicht mehr zu kriegen.

Ich fahre mit Zoli zurück, wir machen Halt an seinem Jagdhaus, das hat ihm der Staat zur Verfügung gestellt. Zoli ist ein vom serbischen Staat angestellter Jäger, in dessen Auftrag er Jagdgäste führen darf, alles ist sehr streng geregelt, übersetzt mir an und wann mein deutsch-serbischer Begleiter Slavisa! Ich lerne bei einem Glas Tee Zolis Frau und Sohn kennen, ein aufgewegter 18-jähriger Bursche mit tadellosen Englischkentnissen.

Zoli vertröstet mich auf Morgen zur Nachsuche, er meint, der Keiler liegt vielleicht nur ein paar Meter weiter und er ist sich meines guten Treffers absolut sicher.

Am nächsten Morgen um vier geht es raus, auch Slavisa fährt mit zur Nachsuche und ich bin sehr froh darüber. Ein weiterer Jäger kommt hinzu, wohl der, der die Fütterung tags zuvor mit Maiskolben beschickt hat. Am Anschuss finden wir heute Morgen natürlich auch nichts und wir schwärmen aus, um jetzt in der Tagesdämmerung auf Sicht zu suchen. Kaum habe ich meinen Weg eingeschlagen in die vermutete Fluchtrichtung, die Zoli und ich bereits erkundet haben wollen, da höre ich Slavisa rufen. Er hat ihn gefunden!

Etwa 300 Meter vom Anschuss entfernt liegt nun der schwarze Brocken, mein Basse, mit etwa 150 Kilo Gesamtgewicht und mit Waffen von fast 20 Zentimeter Länge tot in einer Gebüschgruppe. Ich schaue nach meinem Treffer und stelle fest: Etwa eine Handspanne zu weit hinten. Na ja, ein Vorzeigetreffer ist das wohl nicht und ich schäme mich ein bisschen, meine Freude über den doch glücklichen Ausgang dieser Keilerjagd ist etwas getrübt. Nach dem professionellen Aufbrechen wird mit einem traditionellen Slivovic-Umtrunk in Zolis Jagdhaus das Ereignis begossen.

 
 
 
 
 
 


Slavisa und ich nutzen die Gelegenheit und machen einen Probeschuss auf Zolis provisorischem Schießplatz hinterm Haus. Distanz 100 Meter, beide Projektile landen im Schwarzen, im 4 Zentimeter großen Isolierband beklebten Flecken und liegen etwa 2 Zentimeter auseinander, die Waffe stimmt.

Nun beschließen wir, dass Slavisa abends zur Ansitzjagd immer dabei sein soll, um Übersetzungsprobleme schnell in Griff zu bekommen. Einige Kanzeln fahren wir nun in aller Ruhe gemeinsam ab, sie scheinen groß genug und ich entdecke am Ufer der Donau wunderschöne romantische Buchten, die unsere Italiener auch heute Morgen mit vielen Donnerschlägen aus ihren Flinten leider schon besetzt halten.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Mittags fahren Slavisa und ich mit einem Taxi in die nahe gelegene Stadt Weißkirchen. Eine ehemalige deutsche, von den Donauschwaben gegründete Stadt, die direkt an der Grenze zu Rumänien an den Ausläufern der Karpaten liegt. Wir trinken genießbaren Kaffee und ich bin sehr verwundert, wie viele Menschen unterwegs Slavisa freundlich begrüßen, ja es ist seine Heimat hier und er ist wohl sehr beliebt in und mit seiner ruhigen und freundlichen Art auch im Umgang mit seinen Mitmenschen. Zwei Tage später sitzen wir zu dritt an einer Maiskolbenkirrung und warten auf einen Hirsch.

Viele Spuren deuten darauf, dass sie Tags zuvor da waren, aber nur Kahlwild kommt an die Kirrung. Als wir schon abbaumen wollen, taucht eine Rotte Sauen auf und ich denke, das hier muss ein jagdliches Paradies sein. Zoli und Slavisa wetteifern mit ihren Auswahlkriterien beim genauen Ansprechen. Ich sitze im Anschlag und versuche die Sauen im Absehen zu unterscheiden. Immer wieder kommt eine Sau aus der Dickung, greift sich ein bis drei Maiskolben und ist genauso schnell wieder weg. 'Keiler, Keiler', höre ich sie beide flüstern, als wieder eine einzelne Sau das Prozedere beginnen will und kurz vor dem Maishaufen breit stehend verhofft. Bumm, und die Kugel ist draußen, im Feuer fällt die Sau und schlegelnd bleibt sie liegen. Als wir auf die Lichtung kommen, liegt da eine Sau, etwa 100 Kilo schwer, aber eine Bache. Zoli flucht, weibliche Sauen dürfen nicht geschossen werden und er hat jetzt Repressalien zu erwarten, er muss diesen Abschuss wohl selbst bezahlen und jammert herum, er hatte die Verantwortung. Slavisa und ich sind auch verdutzt und wir diskutieren herum, wie uns so was passieren konnte. Im Mondlicht hat die Silhouette der Sau eindeutig wie die eines schweren Keilers ausgesehen! Wir haben uns alle getäuscht!

Wir laden die Sau auf unseren Geländewagen und ich frage Slavisa, was denn die Sau so kosten würde. Er fragt Zoli und ich höre etwa 140,- Euro kostet unsere Ladung! Spontan entschließe ich mich, den Fehlabschuss aus meiner Tasche zu bezahlen und Slavisa übersetzt die freudige Nachricht sofort für Zoli. Der schüttelt mit kräftig die Hand und bedankt sich überfreundlich, es wäre ja auch ein großer Teil seines Monatslohns gewesen. Auf jeden Fall ist das Eis zwischen uns jetzt endgültig gebrochen.

 
 
 
 
 
 

Nächsten Abend, eine andere Kirrung, alle drei sitzen wir und schauen begeistert wieder einer Rotte Sauen beim Streit um die Maiskolben zu, aber kein Keiler ist dabei. Die Sauen jagen sich gegenseitig hin und her, hier ist wohl lange nicht mehr geschossen worden und die Rotte kennt keinen Jagddruck, so wie die Rotte von gestern. Auch zwei schneeweiße Sauen sind darunter, was ich mit großer Bewunderung feststelle. Albinos gibt es also auch beim Schwarzwild, für Zoli scheint das absolut normal zu sein.

Später geht der Mond auf und das Dämmerlicht reicht gerade so, um im Absehen Umrisse zu erspähen.

Da kommt plötzlich links aus dem Bestand eine Hirschkuh heraus und zieht weiter Richtung Maiskolbenhaufen. Potz blitz, ein ausgewachsener Hirsch vielleicht vom 6. oder 7. Kopf kommt hinterher. Zoli ist sogleich am Rechnen. 5 bis 6 Kilo schwer ist die Trophäe, meint er in der Dämmerung zu erkennen. Ich zögere nicht lange, schiebe meine Baikal nach vorne und ziele hoch auf den Träger des Hirsches, um keine der hinter ihm stehenden Sauen zu gefährden.

Rums, die Kugel verfehlt ihr Ziel nicht, der Hirsch fällt sogleich im Feuer. Im Bestand knackt und poltert es eine Weile, dann ist Ruhe. Sogleich beglückwünschen mich Slavisa und Zoli und wir freuen uns um so mehr, als da ein Rothirsch mit einem Geweihgewicht von über 6 Kilo liegt, Zoli schätzt das Alter auf etwa 7-8 Jahre. Mein erster Hirsch liegt!

 
 
 
 
 
 

Zu Hause wartet schon unser Abendessen. Vor Tagen ist ein junger deutscher Jäger zu uns gestoßen und auch der hatte heute großes Waidmannsheil, er hat auch seinen ersten Hirsch erlegt. Da müssen wir nun beide die traditionelle Hirschtaufe über uns ergehen lassen.

Wir kommen nacheinander vor Gericht, erst Kornelius, ich übernehme großzügig seine Verteidigung, Slavisa muss alles übersetzen. Kornelius’ Jagdführer klagt ihn an und meint, dafür, dass der Treffer nicht so gut war und der Jagdführer den Hirsch über eine Stunde weitläufig nachsuchen musste, bekommt Kornelius 15 Schläge auf den Hintern, draußen neben seinem auf einem Anhänger liegenden Hirschen. Ich versuche die Anklage herunter zu spielen und werfe Nervosität eines Anfängers in die Waagschale, recht viel mehr glaubwürdiges Verteidigungspotential fällt mir nicht mehr ein, so dass Kornelius nun 10 Schläge auf seinem Arsch aushalten muss.

 
 
 
 
 
 

Nun bin ich an der Reihe, Kornelius hat zu meiner Überraschung schlagkräftigere Verteidigungsargumente, Hirsch lag im Feuer und andere auch übertriebene Ausreden helfen mir, mit nur 7 Stockschlägen das gleiche Schicksal zu erleiden wie er!

Tags darauf ist Kornelius nach Belgrad abgereist und ich bin morgens um vier Uhr wieder mit Zoli draußen auf Pirschgang. Nebel ist aufgezogen über Nacht und hat die geschlossene Blätterdecke hier im Wald angefeuchtet, so dass unsere Schritte darauf sehr geräuscharm sind.

Gedankenversunken folge ich Zoli bereits seit 2 einhalb Stunden kreuz und quer durch die urwüchsige Peripherie und bin sehr zufrieden, habe meine Wünsche hier weitgehendst erfüllt, einen großen Keiler und meinen ersten Hirsch geschossen. Ich ahne jedoch nicht, was ich heute noch erleben würde.

Nachdem wir zum xten mal heute in einen weiteren vor uns auftauchenden, zugewachsenen Waldweg einbiegen, trotte ich etwas teilnahmslos hinter Zoli her und freue mich schon auf das anschließende Frühstück. Ich habe einen Mordshunger.

Da bleibt Zoli plötzlich abrupt stehen und deutet mir eine Hirschkuh, die etwa 150 Meter vor uns mitten auf dem bis über die Hüfte bewachsenen Weg steht und uns bisher weder gewindet noch eräugt hat. Äsend und wiederkäuend steht sie im matten Schein der aufgegangen Sonne, dessen Licht sich nur zögerlich durch die Nebeldecke schiebt.

Sofort kauern wir uns nieder und Deckung suchend in niedrigster Gangart (wie man bei der Bundeswehr sagt) versuchen wir näher heran zu kommen. Wo sich Kahlwild aufhält, kann auch ein Hirsch stehen und das wollen wir genau ergründen. Zoli unterdrückt gerade gekonnt ein paar Raucherräusper und beide hangeln wir uns vorwärts die natürliche Deckung nutzend, um näher an unsere Hirschkuh heranzukommen.

Bis auf 80 Meter schleichen wir uns an, die Hirschkuh wechselt mal links und mal rechts in den Bestand, kommt aber wieder auf den etwa 2 Meter breiten Weg zurück. Ich höre gerade Zoli etwas von einem Hirsch flüstern, der weiter hinten im Bestand sein soll, sehen tue ich momentan nichts, ich wechsle ein paar Schritte nach vorne, um hinter einem Kiefernstamm Deckung zu finden. Da sehe ich etwas anderes, seelenruhig wechselt plötzlich ein Frischling über den Weg, für einen Moment verschlägt es mir den Atem, als weitere Frischlinge von rechts aus der gebüschartigen Wegbegrenzung herüberziehen, die Hirschkuh etwas dahinter ist sogleich weg. Da kommt auch Mama Bache, ihren Körper kann ich besser erkennen, da die große Silhouette doch etwas aus der dichten Gras- und Buschvegetation grau-schimmerig im Morgenlicht herüber glänzt. Dann, ein zweiter großer Sauenkörper schiebt sich dazwischen, oh mein Gott, es ist ein Keiler, und was für einer, noch mal 20 Zentimeter höher im Rückenrist als die Bache. Suchend steht er mitten auf dem Weg, kleine Sauenkörper wandern hin und her und längst habe ich links am Kiefernstamm angestrichen, als endlich für einen Moment der Keiler frei steht. Ich fahre mit dem Zielstachel am hohen beinah keilförmigen Rist entlang, fixiere auf das halb verdeckte Schulterblatt etwas zurück und lasse fliegen! Sofort lade ich nach und mit einem Seitenblick auf Zoli, der freudestrahlend etwas hinter mir steht, gestikuliert er mir mit der rechten Hand eine flache Linie vor seinem Hals zeichnend, er liegt, der Keiler, er ist im Feuer gefallen!

Ich gehe vorsichtig heran und sehe, der Keiler schlegeld immer wieder und japst nach Luft, ich erlöse ihn mit einem zweiten gezielten Schuss in die Herzgegend und sofort ist er tot.

Mein Gott! Da liegt ein Riesen-Keiler, so wie ich seinesgleichen nur einmal in Russland gesehen und zu Fall gebracht habe. Über 200 Kilo soll er wiegen, meint Zoli und sein Gewaff ist deutlich größer als das des vor ein paar Tagen geschossenen Keilers. Aufgeregt rufe ich Slavisa an und berichte von meinem Jagdglück.

 
 
 
 
 
 


Dann kommen sie ihn abholen, Zoli und ich haben inzwischen den 'Bassen' in Position gerückt und wir schießen wohl unvergessliche Bilder. Zu viert versuchen wir nun, das Schwergewicht auf das von mir nicht zu identifizierende Revierfahrzeug zu hieven. Nach mehreren Versuchen gelingt es und ich frage nach der Marke dieses olivgrünen Jeeps, wohl ein Fahrzeug aus der ehemaligen serbischen Armee. Für den Straßenverkehr ist das Vehikel nicht zugelassen, sagt man mir, es stammt aus einer vergangenen Epoche Serbiens, gebaut in russischen Nachkriegsfabriken.

 
 
 
 
 
 


Acht Pfannkuchen vertilge ich heute im Nu und unsere Köchin ist stolz auf ihre Kochkünste. Sie freut sich, dass es auch dem deutschen Jäger schmeckt. Eine Augenweide ist sie ja nicht gerade und diese weibliche dumpfe Bassstimme, na wenigstens kommt da keiner auf dumme Gedanken. Aber lassen wir das lieber!

Ich liege in meinem Kämmerchen, meinen vollen Ranzen nach diesem Frühstück weit von mir gestreckt und lasse den angefangenen Tag noch mal Revue passieren. Das war ein Erlebnis, für mich unvergesslich!

Zwei Tage noch, dann geht es zurück. Der Chefjäger kommt vorbei, misst meine beiden Keilerwaffen aus und verhängt dem ersten eine Bronzemedaille und der zweite hat anscheinend die Goldmedaille knapp verfehlt. Somit kann ich mit zwei Medaillen heimfahren. Dieses Prozedere habe ich so auch noch nicht erlebt und freudig nehme ich sie beide entgegen.

Am letzten Abend fahren wir noch mal raus auf Ansitz, egal was kommt, ich habe genug geschossen. Ich nehme alles sehr gelassen und guter Stimmung sitzen Zoli, Slavisa und ich in der indischen Rumpelkiste und tigern los.

Als wir etliche Kilometer weit draußen halten, ist es schon am späten Nachmittag, aber noch hell. Slavisa und ich pirschen hinter Zoli her, um an eine große Kanzel zu kommen, wo wir alle drei schön Platz haben sollten. Der Jäger mit dem Traktor hat seit Tagen Maiskolben unweit davon abgeladen und meldete, dass die Kirrung gut angenommen ist von Rot- und Schwarzwild.

Geduckt lugt Zoli hinter den Bäumen in Richtung Kanzel, die auf einer breiten Lichtung etwa 300 Meter entfernt ist und eher wie ein militärischer Wachturm daherkommt. Abrupt bleibt er stehen und sogleich schießt mein Adrenalinpegel nach oben. So habe ich Zoli schon mal erlebt und und und...

 
 
 
 
 
 


Er winkt uns heran, da vorne stehen doch tatsächlich etliche Hirsche und Kahlwild.
Am späten Nachmittag, mir verschlägt es die Sprache.
In einem weiten Bogen umschlagen wir die Lichtung und nähern uns gegen den Wind von einer anderen Seite. Das Gelände zur Kirrung steigt hier erheblich an und nachdem Zoli die Hirsche ausgespäht hat, vermeldet er, der Zweite, der da vorne steht und friedlich äst, ist frei, den soll ich schießen, wenn er mir gefällt. Ein Zwölfender vom 8. Kopf, ein bisschen stärker von den Geweihstangen wie mein erster, das trifft sich gut!

Ich robbe durch den Wald auf die Lichtung zu, wie zu Bundeswehr-Zeiten. Etwa 100 Meter, bis eine erhöhte Bodenkante kommt, auf der ich hinüberschauen kann zur Lichtung. Die Waffe in den Händen, den Rucksack auf dem Rücken und mit den Ellenbogen schiebe ich mich langsam und verhalten auf die Lichtung zu!

Dann ziehe ich den Rucksack vom Rücken und während ich den Hirsch in etwa 120 Meter Entfernung fixiert habe, platziere ich meine .30.06er Baikal in Schussrichtung und drücke ab.
Ich sehe noch, wie der Hirsch auf der Stelle zusammenbricht, der Spießer, der links neben ihm stand, dreht herum und flüchtet in hohen Sätzen zurück in den Bestand. Es ist vorbei.

Als wir zu dritt um den Hirsch herumstehen, stelle ich fest, dass ihm eine Eissprosse fehlt, im Ansatz ist sie wohl bei einem Kampf abgebrochen, das macht ihn für mich unverkennbar.
Das hätte ich mir auch nicht mehr träumen lassen. Morgen geht es schon heim und ich habe meinen zweiten Hirsch geschossen. Jetzt ist meine Jagd hier vorbei, der russische Jeep holt unsere Beute. Zoli und der zweite Jagdführer versorgen sie sogleich.

Nach vielen Glückwünschen, auch von unserem hoch motivierten Küchenpersonal, das wieder mal viel zu viel auffährt, lassen wir es uns noch einmal schmecken, trinken zusammen ein paar Slivovic und warten auf den nächsten Morgen, schon in Reisestimmung.

Dann kommt unser Chefjäger, er bringt mir die ausgekochten Hirschschädel, misst sie aus und verpackt sie mit der Kunst eines Profis, denn die beiden Geweihe werden wir gleich mitnehmen in unseren Flieger nach Deutschland.

 
 
 
 
 
 


Das entpuppt sich als möglich, wir sind schon durch den Zoll und Slavisa und ich freuen uns, als wir zusehen können, wie unsere beiden Jagdtrophäen in Belgrad ins Flugzeug verladen werden.

Gerne werde ich wiederkommen, hier an die Donau, die mich schon ein Leben lang begleitet hat und so etwas wie eine große Heimat ist für mich. Danke an Zoli, meinen unermüdlichen Jagdführer. Danke an Slavisa, der mir zur Seite gestanden ist, wann immer ich ihn brauchte, wir sehen uns
Mit freundlichem Waidmanns heil!
Karl Holzinger


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