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Wölfe, gefürchtete Jagdkonkurrenten


In Deutschland werden die Rückkehr und die Ausbreitung des Wolfes aktuell sehr kontrovers diskutiert. Einerseits ist der Wolf eine streng geschützte Tierart, die nach vollständiger Ausrottung langsam zurückkehrt, aber nicht bejagt werden darf, weil er unter besonders geschütztem Naturschutz steht. Andererseits gilt der Wolf als der bedeutendste Jagd Konkurrent heimischer Jäger und wird dies mit der Vergrößerung seines Ausbreitungsgebietes auch zukünftig bleiben! Zudem verändert der Wolf die Weidetierhaltung, denn er findet immer einen Weg Zäune zu überwinden und sein Unwesen bei Weidetieren zu hinterlassen.

In Russland ist das anders. In riesigen, staatlichen Jagdgebieten, wie um das Dorf Kopki, wird ein unerbittlicher Kampf gegen die z.T. sehr großen, marodierenden Wolfsrudel geführt, da diese zunehmend und vor allem zur Winterzeit aus dem, Kopki von zwei Seiten flankierenden, großen Naturschutzgebiet einfallen und dabei großen Schaden in der Wildtierpopulation anrichten.

Die Hege im etwa 80 000 Hektar großen Jagdrevier, rund um Kopki, kostet viel Geld. Die Jäger versuchen - oft vergeblich - die Schalenwildbestände aufzupäppeln, damit die vornehmlich russischen Jagdgäste etwas Geld in die industriell vernachlässigte Gegend bringen.

Der Winter bietet mit den, für uns unvorstellbaren, Tiefschneeverhältnissen eine gute Chance zur Wolfsjagd. Gerade dann, wenn der Schnee mehr als einen Meter hoch die riesige Taiga bedeckt haben Wölfe leichtes Spiel. Denn die Wölfe versinken bei Temperaturen bis unter minus 30°C nicht im Tiefschnee, sondern tauchen gerade ein paar Zentimeter in die gefrorene Schneedecke ein. Ihre Spuren sind so unübersehbar und auf russischen Skiern oder per Schneemobil leicht zu verfolgen.

Jetzt, im Winter, leiden Wölfe keinen Hunger. Denn es ist die Zeit, in der auch kleine Rudel, oftmals bestehend aus nur zwei oder drei Elterntieren tief im Schnee eingesunkene Elche oder Wildschweine ohne Verfolgungsjagd reißen können.

Für die großen Pachten ist der Jagderfolg der Wölfe ein Graus. Die vielen frischen Risse und Tierkadaver im Schnee zeugen von den großen Verlusten in der ohnehin schwachen Tierpopulation. Viele Menschen in den abgelegenen, ländlichen Gebieten Russlands leben von der Jagd. Es gibt hier kaum Industrie und nur selten Handwerksbetriebe. Wie viele Russische Dörfer, hat auch Kopki, nach der Auflösung der Sowjetunion den wirtschaftlichen Anschluss verpasst. Nur das Notwendigste wird selbst hergestellt. Also vertreibt man sich die Zeit mit dem Kleinhacken von Brennholz zum Beheizen der obligatorischen Saunen und dem Schneeräumen der Wege, damit man den einzigen Laden des Dorfes wenigstens ab und an ungehindert erreichen kann. So ist es hier in Kopki, einem kleinen Dorf inmitten Udmurtiens. Zum x-ten Mal bin ich schon hier, um mich auch in diesem Jahr wieder an der Wolfsjagd zu beteiligen.

Seit Jahren pflege ich regen Kontakt zum staatlich angestellten Jagdverwalter und Hundezüchter Wladimir Raiabov. Vor zwei Wochen rief er an, drei Wölfe verfolgten er und seine Mannen gerade. Immer wieder würden sie den eilig aufgespannten Lappleinen entwischen und sie würden es einfach nicht schaffen das kleine Rudel einzukreisen. 'Wir sind dran' behauptet Wladimir, ich solle schnell kommen. Offensichtlich interessiert sich sonst niemand für die Jagd auf Wölfe. Kaum kommen Deutsche Jäger, außer mir in diese Gegend. Russische Jäger wollen lieber Bären jagen. Die schlafen aber gerade in ihren Höhlen und außerdem ist mittlerweile Gott sei Dank die winterliche Höhlenjagd auf Bären in Russland verboten.

Da es mich ohnehin im Winter in die Kälte zieht, buche ich meine Flüge und ordne meine winterliche, wohl erprobte Jagdausrüstung.

Wie immer begleitet mich Sergey. Am Montag, den 9. Februar starten wir von München nach Moskau und nach etlichen Stunden Flug landen wir in der Udmurtischen Hauptstadt Ischewsk, in Kommunistischen Zeiten einstmals Sperrgebiet, denn hier war und ist eine Waffenhochburg Russlands. Die berühmte Kalaschnikow wird, draußen vor der Stadt in den etwas herunter gekommenen aber riesigen Fabrikhallen, immer noch in großen Mengen produziert.

Wladimir holt uns persönlich am Flughafen ab. Ich erkenne ihn ganz ohne Camouflage Klamotten kaum wieder und bin etwas erstaunt über seine schicke Robbenfellmütze, die wohl aus vergangenen Jagdzeiten stammt.

Auch Michael, unser Kunde, ist am Flughafen und zu viert fahren wir nun die etwa 200 Kilometer nach Kopki ins Revier von Wladimir. Ich wundere mich. Ein nigelnagelneuer Hilux steht da am Flughafenparkplatz. Ich bin neugierig und erfahre auf Nachfrage, dass er einem reichen russischen Oligarchen, der zukünftig bevorzugt in Wladimirs Revier seiner Jagdleidenschaft nachgehen wird, gehört. Ein wohl übliches Arrangement in einer Zeit, in der die Kredite russischer Normalbürger immer schwerer, wegen der steigenden Zinslast zu finanzieren sind.

Etwa minus 15°C zeigt das Autothermometer. Das ist auszuhalten, denke ich, habe ich hier doch schon ganz andere Temperaturen erlebt.

Die Begrüßung im russischen Jagdhaus fällt etwas spärlich aus. Nur Natascha, die Freundin von Wladimir, ist da, sonst niemand. Dafür ist der Tisch schon reichlich gedeckt und vier hungrige Reisende fallen über das Büfett her. Mit den Wodka-Begrüßungsrunden geht’s auch direkt los. Na denn, ich bin angekommen, wieder mal in meinem Lieblingsrevier, hier in der unendlichen Weite der Russischen Taiga!

Eine brütende Hitze empfängt mich, als ich mein Zimmerchen, das genau über dem Heizraum liegt, mit all meinen Jagdutensilien in Beschlag nehme. Ein Fenster öffnen, kommt es mir, aber alle sind zugenagelt und gegen die Kälte versiegelt. Nachdem ich an einem der oberen Fensterchen mit meinem Jagdmesserchen die komplette Rahmenversiegelung entfernt habe, wird es endlich erträglicher. Der Alkohol und die 22-stündige Reise tun ihr Übriges und ich versinke in einen tiefen Schlaf.

 
 
 
 
 
 


Erster Jagdtag!

Als ich am nächsten Morgen aufwache und zum Rasieren und Waschen in den kleinen Badspiegel schaue, erblicke ich - außer den üblichen vielen Falten - überall kleine Stiche, so drei, vier direkt nebeneinander, auch im gesamten Oberkörperbereich. Mein Gott, was ist das? Wanzen, Flöhe oder Läuse! Na, das kann ja heiter werden.

Aber erst mal geht es raus zum Jagen! Eingepackt in mehrere Klamottenschichten treten Sergey und ich vor die Jagdhaustür. Wir halten Ausschau nach den Jägern und ihren Schneemobilen. Normal holen sie uns immer direkt vor der Haustüre ab, diesmal nicht? In ein paar hundert Metern Entfernung entdecken wir den russischen Uaz Bus und dahinter stehen in Reihe zwei Schneemobile.

 
 
 
 
 
 


Wir laufen hin, der Motor läuft und im Bus erkennen wir die Umrisse der gesamten Jägerschaft. Als wir ankommen steigt niemand aus, komisch. Werden wir nicht wie üblich freundlich begrüßt? Da fällt mir auf, dass auch die Begegnung mit Wladimir gestern am Flughafen nicht unbedingt herzlich war. Was war hier los?

Als sich nach einigem Zögern endlich die Türen des Busses öffnen, reichen wir uns etwas reserviert die Hände und Wladimirs Sohn, Atrium, erklärt, dass wir weit raus fahren müssen. Es sei den Jägern gelungen in etwa 20 Kilometer Entfernung das kleine Wolfsrudel aus drei Tieren anhand von Spuren im Schnee mit Hilfe der Lapp Methode, quasi einzuzäunen. Und los geht’s, aufgesessen. Die beiden Schneemobile sind hinten angebunden und folgen uns. Wieder mal geht’s durchs Dorf, das wie üblich um diese Zeit zugeschneit ist. Es liegt etwa 1,50 Meter Schnee und riesige Schneehaufen säumen die Wege.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Weit draußen sieht es aus wie in einer Märchenwelt. Die Spannung in mir steigt. Irgendwo halten wir an und verstecken den Uaz Bus hinter Schneewällen am Straßenrand. Mit den Schneemobilen geht es hinein in die zugeschneite Taiga. Die Jäger auf Skiern werden an einem Seil, mit eingeflochtenen Haltegriffen aus Stecken der umliegenden Weichholz Vegetation, kurzerhand einfach hinterher gezogen.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Nach einer halben Stunde Fahrzeit kommt die aufgespannte Lappleine mit den vielen roten Wimpeln in Sicht. Wir fahren noch ein paar hundert Meter weiter in den Wald und errichten erst mal ein Lager. Sofort machen sich Atrium und Sergey daran eine Feuerstelle aufzubauen. Ich stecke die Eingepackte doppelläufige Ich 27 Baikal Schrotflinte zusammen und erhalte von Wladimir eine Handvoll 12/70 Schrot Postenmunition, mit den aufgedruckten Wolfsköpfen auf den Plastikhülsen. Drei Jäger schwärmen auf ihren russischen Skiern aus und die erste Drückjagd auf die wohl noch ahnungslosen Wölfe kann beginnen!

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Etwa zwei Quadratkilometer ist das, in einer künstlichen Spitze mündende, eingelappte Drückjagdgebiet groß. Es wird sicher eine ganze Weile dauern, bis es von den drei Jägern durchkämmt und eine frische Grauhundfährte gesichtet ist. Dann aber werden die Jäger lauthals der Spur folgen und die Verfolgten, am anderen Ende der Einzäunung, auf uns zu treiben. Zumindest ist es der Versuch, der auch schief gehen kann.

Alle sind mit modernen Funkgeräten ausgerüstet. Nach etwa 45 Minuten am wohltuenden Feuer fahre ich gemeinsam mit Wladimir auf dem Schneemobil zur Verjüngung an der Lappleine. Angekommen, versperren uns die zugeschneiten Äste und die großen Schneeverwehungen weitestgehend die Sicht, aber es geht nicht anders. Ich platziere mich so, dass ich auf zwei Seiten eine einigermaßen gute Geländeübersicht habe. Dann muss ich zunächst die einen Meter hohe Schneedecke auf etwa 20 Zentimeter hinunter treten um einen festen Stand und gleichzeitig Bewegungsfreiheit zu bekommen. Um aber noch besser beobachten zu können, sollte ich eigentlich eindeutig höher stehen. Ich bin aufs äußerste angespannt und konzentriert!

 
 
 
 
 
 


Ich schiebe zwei Schrotposten in die Läufe und nun heißt es ausharren und warten.

Da piepst es am Funkgerät. Ein Jäger ist unweit von uns auf die frische Wolfsspur gestoßen. Dann geht’s blitzschnell.

Links von mir im Wald bewegt sich etwas auf die Lappleine zu, ein Wolf! Als er das Flackern der Wimpel sieht, dreht er und schnürt die Lappleine entlang in meine Richtung! Er hat mich noch nicht wahrgenommen. Etwa 50 Meter ist er entfernt, als ich ihn ins Visier nehme, ein riesiger Wolfsschädel. Der erste Schuss verlässt den oberen Lauf der Flinte. Der Wolf duckt sich nur und Sekunden später schlägt das Schloss den zweiten Schuss ab. Der Wolf steigt auf, krümmt sich sofort und schleppt sich etwa zehn Meter in den Wald zurück und bleibt liegen.

Gespannt schauen Wladimir und ich in die Richtung des liegenden Wolfs, der im hohen Schnee und hinter der Buschvegetation kaum auszumachen ist. Nach einigen Minuten hebt er plötzlich sein Haupt und mir gefriert beinahe den Atem. Der sterbende Wolf leidet!

Verdammt was ist passiert? Das ich versucht habe den Wolf von vorne nicht frontal ins Gesicht zu schießen, sondern unterhalb auf die Vorderläufe gezielt habe, wird mir nun sträflich bewusst.

Noch zwei Posten lasse ich auf die graue Decke des Wolfes herniedergehen, bis keine Bewegung mehr zu erkennen ist. Ich robbe mich an ihn heran und beim Herausziehen aus seiner Deckung spüre ich, dass beide Vorderläufe schwer getroffen sind. Wahrlich kein schönes Gefühl für einen Jäger!

Als die Treiberwehr anrückt gratulieren natürlich alle, aber ich spüre auch die verhaltenen Blicke. Sie hatten wohl ein besseres Schießergebnis erwartet. Ich halte mich bedeckt!

Dann packe ich den Wolfsrüden mit dem großen Schädel hinten auf die Gepäckablage des Schneemobils. Es geht zurück zur Feuerstelle.

Hier wird der Anhänger eines Schneemobils umgedreht, kurzerhand zum Outback Tisch umfunktioniert und allerlei Ess- und Trinkbares aufgefahren. Extra für mich gibt es Armenischen Cognac statt Wodka. Wahrscheinlich hatte Sergey ihnen gesteckt, dass ich den Wodkageschmack eigentlich wie zerlaufenen Pattex-Kleber empfinde. Und so muss ich nach Russischem Waidmannsheil Brauch mindestens dreimal einen Edelstahlbecher voll Cognac mittrinken, was dann schon zu verkraften ist.

 
 
 
 
 
 


Jedenfalls spüre ich beim zweiten Versuch, noch einen Wolf aus dem eingelappten Gebiet heraus zu drücken, die Folgen des Cognacs in Form von Konzentrationsschwäche oder sind es Kopfschmerzen? So genau kann ich das nicht mehr einnorden!

Gott sei Dank kommt kein Wolf mehr in Schussnähe. Die verstecken sich jetzt im Schutz der großen Fichten, deren lange, schwere, schneebedeckte Äste sich bis auf den Boden biegen und so Hohlräume bilden, die groß genug sind, um einen Wolf zu verbergen!

Für heute geht’s wieder heim. Diesmal werden die beiden Schneemobile im Wald versteckt. Die Waffen, die Ausrüstung und natürlich auch der erlegte Wolf werden im Uaz Bus verladen und bevor die Nacht hereinbricht sitzen wir bei leckerer Hühnerfleischsuppe, selbstgemachten Tortellinos mit einem Hack aus Keiler- und Elchfleisch gefüllt, runden das üppige Mahl ab.

 
 
 
 
 
 


Zweiter Jagdtag!

Als des Morgens der Tag sehr grau und düster erwacht, liege ich müde und abgeschlagen auf dem Bett. Ich habe kein Auge zugemacht. Die Bettmitbewohner haben mich die ganze Nacht verfolgt. Kratzend, schlagend und furchtbar aufgeregt harre ich dem Tag entgegen. Schimpfend sitze ich beim Frühstück und Sergey muss der verdutzten Natascha beibringen, dass ich bis heute Abend einen kompletten Bettzeug Relaunch erwarte.

Aber nach fünf Spiegeleiern zum Frühstück geht’s wieder. Auf der Busfahrt zu den Schneemobilen im Wald hört Sergey heraus, dass die Jäger gerne sehen möchten, wie sicher ich mit ihrer Flinte umgehen kann. Naja, wundern tut’s mich nicht. Am Biwak Platz suchen wir gemeinsam ein etwa 50 Meter entferntes Ziel, weit oben in einer großen Astgabel, eine Schneefläche so groß wie ein Blatt Papier. Ich lade eine Brenneke und 'Peng', der erste Schuss geht mitten durch das anvisierte Ziel. Das müsste reichen, aber da kramt Wladimir noch etliche 12/70 Schrotmunition für die Vogeljagd aus seinen Hosentaschen.

Zwei hintereinander abgefeuerte Schüsse landen auch mitten im Ziel, dass es nur so staubt von herab rieselndem Schneegestöber. Dann nehme ich etwas übermütig ein weiteres Ziel ins Visier: noch weiter weg und noch weiter oben - auch diesmal zwei Volltreffer. Ein Blick in die Runde sagt mir, dass alle Zweifel weggefegt sind.

Als ich dann lange und müde an meinem Beobachtungsplatz stehe und die Treiber von weit weg zu hören sind, reißt mich eine Bewegung im Wald aus meinen Gedanken. Da, da kommt schon wieder ein Wolf in Richtung Lappleine. Aber vorsichtiger als der Gestrige. Geduckt bleibt er erst etwa 60 Meter vor der Lappleine stehen, geht dann wieder ein paar Schritte weiter und verharrt mit Blick auf die Lappleine zwischen zwei Fichtenstämmen etwa 50 Meter entfernt, als mein Schuss bricht. Der Wolf zeichnet und fällt sofort um. Da freut sich mein Meister der russischen Jagd und auch die Treiberwehr ist von diesem Abschuss begeistert. Wieder geht es mit dem erlegten Wolf an die Alkoholtankstelle im Wald und es wird angestoßen was das Zeug hält. Zwischendrin gibt’s Speck, kalte Hühnerfleischschenkel und immer wieder Armenischen Cognac. Als die Falsche leer ist wird gleich eine neue aufgetischt.

 
 
 
 
 
 


Heute ist auch Michael, mein Kunde, mit von der Partie und es gibt Fotoshootings mit der erlegten Wolfsfähe eines nach dem anderen. Da Michael nicht unbedingt Taiga erfahren ist, sage ich zu Sergey, er soll ihm eine Axt geben, damit er einen halbwegs dürren Baum fürs Feuer fällen kann. Somit gewinnt er Biwak Erfahrung und ist gut beschäftigt, aber er spielt lieber mit den mitgebrachten, hochprozentigen Glasflaschen, den vollen natürlich!!

 
 
 
 
 
 


Als wir nach einem weiteren Versuch den dritten Wolf aus dem Wald heraus zu bekommen scheitern, geht’s nach Hause. Heute Abend möchte ich gerne auf Keilerjagd gehen, habe ich schon morgens kundgetan, um die lange Nacht mit meinen Bettbenutzern etwas abzukürzen.

Das Wetter ist zwar nicht geeignet, denn es windet sehr stark und beim Heimfahren beginnt es zu schneien, doch Wladimir wittert sofort ein Geschäft. Er ordnet an, dass mich der russische Jäger Sergej an eine Kirrungssitzleiter, etwa zwanzig Kilometer entfernt bringen soll. Da hat er kürzlich große Keiler Trittsiegel im Schnee gefährtet!

Noch ehe es dämmert, steht Sergej mit einem Schneemobil vor der Jagdhütte. Schnell ist eine Decke organisiert und Wladimir leiht mir eine Kugellaufwaffe, einen Repetierer mit aufgesetztem Nachtzielgerät und los geht’s. Der deutsche Sergey will auch mit und setzt sich hinten auf den Anhänger. Na das kennen wir. Die nach hinten raus geblasenen Abgase und das aufgewirbelte Schneegestöber vom Antrieb des Motorschlittens sind nicht angenehm!

Etwa eine Stunde und kaum einer Möglichkeit zum Festhalten rast Sergej mit dem Schneemobil den festgefahrenen Weg entlang, bevor der Kirrungsacker in Sichtweite kommt.

Ich schwinge mich ich auf die Ansitzleiter, die an eine Erle und eine Birke genagelt ist. Die beiden Sergeys leeren in etwa 80 Meter Entfernung noch schnell zwei mitgebrachte Getreidesäcke mitten auf den brach liegenden Acker und warten dann irgendwo an einem Feuer auf mein Abholkommando!

 
 
 
 
 
 


Nun sitze ich da eingemummt in meine winterfesten Jagdklamotten. Das eine Ende der Decke habe ich mir um die Beine gewickelt und mit dem anderen Ende den Repetierer auf meinem Schoß eingehüllt, damit die Visierung nicht nass oder feucht wird. Ich harre der Dinge, die nun passieren sollten.

Nach einer Stunde kriecht die Kälte langsam unter die Decke und der scharfe Wind treibt mir den Schnee frontal ins Gesicht. Ich kann den Getreidehaufen kaum im Auge behalten und muss mich in eine sehr unkomfortable Sitzhaltung drehen, das kleine aufgenagelte Sitzbrett ist alles andere als bequem. Plötzlich bemerke ich hinter mir im Wald, in Richtung des böigen Windes, Geräusche, die auf Sauenbewegungen schließen lassen. Ein Gewusel an Sauenkörper schiebt sich von rechts durch den Wald genau auf mich zu. Mir stockt der Atem, als eine riesige Bache etwa 10 Meter vor mir auftaucht und den Wurf hebt um die Luft zu prüfen. Etwa eine Minute steht sie da und wir starren uns gegenseitig an. Sie hat natürlich Wind von mir bekommen, dreht um und eine ganze Rotte Frischlinge und Überläufer folgt ihr sogleich. Das war’s also, von wegen großer Keiler! Zu meinem Erstaunen sind etwa eine halbe Stunde später sechs Frischlinge draußen am Getreidehaufen und widersetzen sich wohl den Warnlauten ihrer Mutter.

Trotz des stürmischen Windes und der Kälte ein toller Anblick, der mich die Strapazen schnell vergessen lässt. Etwa um 20 Uhr abends ist dann die Bühne leer und um 21:30 Uhr melde ich den beiden Sergeys über Funk 'finish', sodass Sie mich abholen kommen!

Der russische Sergej rast mit seinem Schneemobil zurück. Als ich etwas verärgert vom Dauerdurchschütteln vor der Jagdhütte absteige, krümmt sich Sergey, der hinten auf dem Anhänger saß, vor Magenschmerzen und ist ganz weiß im Gesicht. Offensichtlich hat er zu viele Abgase eingefangen. Na, das ist nicht unbedingt ein positiver Ausgang des eigentlich doch so erfolgreichen Jagdtages. Alle verziehen sich in ihre Gemächer, auch ich - zu meinen lästigen Mitbewohnern!

Dritter Jagdtag!

Das Bett ist mit frischer Leinenbettwäsche bezogen und ich habe tief und fest geschlafen. Eine gute Portion frischer Blinis aus der Pfanne auf die Hand, zum Frühstück versüßen mir den neuen Tag. Raus geht’s wieder zu unserem letzten, hoffentlich noch hinter der Lappleine befindlichen, Isegrim!

Heute ist es wärmer, der Schnee ist pappig und die Treiberwehr kommt im Wald kaum voran. Der Schnee klebt an den Skiern! Dreimal, bis spät in den Nachmittag, versuchen wir unser Glück, aber kein Wolf kommt in Sicht. Austrittspuren, aus dem ein gelappten Gebiet sind auch nicht zu finden, also fahren wir am geschlagenen Nachmittag zurück nach Kopki. Dort erleben wir live, wie ein Container mit einem gefangenen, lebenden Bären, von einem großen LKW abgeladen wird.

Dieser Bär ist ein Geschenk und sollte eingeschläfert werden. Doch Wladimir hat sich ihm angenommen und nun verbringt der Bär hier auf dem Jagdhof, in seinem Container-Käfig seine nächsten und wahrscheinlich auch letzten Jahre. Oftmals kommen Schulklassen aus der Stadt hierher und dann dient dieses große Tier als Anschauungsobjekt. Naja, dem europäischen Standard zur Unterbringung genügt dieser Container nicht, aber ich bin nicht hier, um mit erhobenem Zeigefinger Missstände anzuprangern.

 
 
 
 
 
 


Zumal ich heute von Sergey gehört habe, welch dramatische Auswirkung die Europäischen Wirtschaftssanktionen auf die Lebensbedingungen der normalverdienenden russischen Bevölkerung haben. Sergey berichtet mir vom Sohn der Revierinhabers Artium. Er hat vor ein paar Jahren, in der wirtschaftlich expansiven Zeit Russlands ein Haus gebaut und mit einem erträglichen Zinssatz finanzieren können. Jetzt wurde zur Bekämpfung der steigenden Inflation, (ausgelöst durch die Sanktionen der Europäischen Union und der USA wegen der russischen Annexion der Halbinsel Krim) der russische Leitzins bis jetzt 17 Prozent angehoben. Nun kann Artium für den staatlichen Kredit seines Hauses kaum mehr die daraus resultierenden Zinsen bezahlen.

Die russische Bevölkerung versteht weder die Europäischen Sanktionen, noch warum sich Europa in russische Angelegenheiten einmischt. Die Annexion der Krim sehen sie hier als notwendiges Mittel um das russische Territorium zu schützen und zurückzuholen. Die Krim ist jahrhundertelang Teil des russischen Imperiums gewesen.

Und das alles verbinden die russischen Jäger hier offensichtlich mit mir, dem Deutschen. Ja und das alles gibt der ablehnenden Haltung gegenüber Sergey und mir ein Gesicht. Was ich auch verstehen kann.

Dazu kommt, dass sich wegen des stürzenden Rubelkurses gegenüber den westlichen Währungen kaum jemand mehr Europäische Produkte leisten kann, ein Teufelskreislauf! Auch für mein Business!

Vierter und letzter Jagdtag!

Wieder geht es raus, morgens bei herrlichem Sonnenschein und passablen Temperaturen etwa minus 10 Grad. Gute Laune ist angesagt. Ich probiere beim Warten auf die Treiberwehr erstmal den russischen Ski und komme dabei mächtig ins Schwitzen. Da schmunzeln die trainierten Profis und ich erkenne wiedermal, das doch nicht alles so leicht ist, wie es aussieht.

 
 
 
 
 
 


Als ich dann mit geladener Flinte an meinem niedergetretenen Stammplatz, Wladimir auf dem Schneemobil ein paar Meter hinter mir, an der Lappleine stehe, bin ich in Gedanken schon zu Hause. Dass ich heute noch einen Wolf zu Gesicht bekomme, glaube ich schon nicht mehr! Die Gedanken schweifen dahin.

Plötzlich deutet Wladimir mit erschrockenen Gesten nach rechts. Völlig überraschend nähert sich auf der anderen Seite unseres Beobachtungsplateaus ein Wolf. Er strebt, über 70 Meter entfernt, der Lappleine zu. Ich überlege, ob ich da überhaupt einen sicheren Schuss anbringen kann/soll.

Na, aber zugucken, wie er die Lappleine überspringt will ich auch nicht. Als der Wolf breitseitig kurz an der Lappleine verhofft, fahre ich kurzerhand mit dem Lauf drauf. Als die Visierlinie über den Lauf und über das Korn auf den Wolfskörper trifft, drücke ich ab.

Der Wolf macht einen gewaltigen Satz nach vorne über die Lappleine und ich sehe ihn nicht mehr. Ich denke schon, viel zu weit weg, den hast gefehlt. Nach etwa 5 Minuten gehe ich, vielmehr breche ich durch den hohen Schnee in Richtung Anschuss. Als ich auf zwanzig Meter herankomme traue ich meinen Augen nicht. Etwa 10 Meter hinter der Lappleine liegt mein Wolf, offensichtlich tot, im Wald. Ich drehe mich um und deute Wladimir mit der rechten Hand eine flache Linie vor meinen Hals zeichnend, dass der letzte Wolf in diesem eingelappten Wäldchen seines großen Jagdgebiets tot ist.

 
 
 
 
 
 


Ein Glückstreffer, alle freuen sich und können es kaum glauben, auf diese Entfernung. Affektschüsse liegen mir, ich habe das in den Jahren bei der Bundeswehr oftmals trainiert. Das zeichnet sich aus. Aber genug des Lobes, übermütig will ich nun heute Abend noch mal nach dem großen Keiler schauen. Als alles abgeräumt und leer getrunken ist geht’s nach Hause. Noch vor Dämmerung will ich wieder auf meiner Sitzleiter auf den großen Keiler warten.

Diesmal bleibt Sergey zu Hause. Ich sitze, wie vor zwei Nächten, bei minus 15 Grad auf meinem Ansitz und warte! Entlang meiner Leiter habe ich die Spur und Trittsiegel des großen Keilers gesehen und voller Spannung erwarte ich sein Kommen.

Als es zu dämmern anfängt schmerzt jede bereits ausprobierte Körpersitzhaltung auf dem kleinen Brettchen. Ich verharre, steif vor Kälte und sinniere über dies und das, wie so oft bei stundenlangen Ansitzen auf Schwarzwild. Leichter Wind zieht hinter mir in den Wald hinein. Bleibt zu hoffen, dass der Keiler nicht auf den gesehenen Spuren an wechselt!

Das Knacken und Brechen eines Holzstücks lässt mich aus meinen Gedanken und der zusammengekrümmten Haltung blitzschnell wach werden. Hinter mir war das, genau wo der Wind hinzieht. 'Sche...!' entfährt es mir. Ich bleibe stocksteif sitzen, damit mich keine meiner Bewegungen verrät. Ein großes Stück wechselt an und gefühlte 10 Minuten höre ich hinter mir schnaubendes und blasendes Sauengeschmatze. Ich hoffe, dass er aus dem Wald herauskommt um, wie gestern den Spuren nach zu urteilen, an dem Getreidehaufen vor mir zu fressen!

Aber er hat wohl Wind von mir bekommen, denn der schwere Geruch von Rauch haftet an allen meinen Winterklamotten.

Das wurde mir hier sicher zum Verhängnis, das hätte wahrscheinlich auch ich riechen können. Aus der Traum vom großen Keiler. Um eine Erfahrung reicher geht’s um 21:30 Uhr mit dem Kommando 'finish' wieder zurück zum Jagdhof. Hier wollen alle genau wissen, was los war und warum auf dem Anhänger des Motorschlittens nicht der große Keiler liegt.

Na dann, hab ich schon was zu tun und der letzte Abend verliert sich in Geschichten erzählen mit meinem Kunden Michael und so weiter und so fort...


Mit freundlichem Waidmannsheil,
im Februar des Jahres 2015
von Karl Holzinger


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