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Grüß Gott
und Waidmanns heil !

Im Namen der gesamten Jägerschaft von Kettershausen/Bebenhausen heiße ich Sie herzlich willkommen auf unserer Webseite, deren wichtigstes Anliegen und Ziel es ist, Sie über unsere Arbeit im Revier umfassend zu informieren. Denn Natur schützen heißt Natur verstehen.

Ihr Revierpächter Karl Holzinger
und die Kettershausener/Bebenhausener Jägerschaft

 

 
 
Aktuelles
Gerne geben wir Ihnen Einblick in unsere Arbeit und Projekte und lassen Sie an unseren Visionen über gelebten Naturschutz teilhaben. Gleichgesinnte sind jederzeit herzlich willkommen.
 

 

Luchsjagd in Karelien


Wieder mal rückt der 'eine' Tag im Jahr näher, der eigentlich Anlass für ein Fest, ein schönes Essen im Kreis der Familie und Freunde sein sollte! Aber da ich mein Leben nur mit meiner Drahthaarhündin Moni teile, meine beiden Jungs längst gestandene Mannsbilder sind, die Ihr Leben in eigene Bahnen gelenkt haben, komme ich schon Monate vor dem vermeintlichen 29. Januar auf die Idee "reiß aus" zu nehmen.

Die meisten meiner lieben Mitbürger und Freunde fassen sich an den Kopf als Sie hören, dass ich zur kältesten Zeit im Jahr in den Nordwesten Russlands will und meinen "wie kannst Du nur, für mich wäre das nichts, lieber in den Süden in die Sonne!" Aber ich kann und ich will!

Hinter St. Petersburg und noch weiter hoch in den Norden, da liegt Karelien! Und da will ich hin mit Sergey, meinem Freund, dem "Deutschen Russen". Denn mittlerweile hat er genauso wie ich einen Deutschen Pass und er liebt das Leben hier mit seiner Familie im aufgeräumten und sicheren Schwabenländle!
In München ist es viel zu warm für diese Zeit, als wir am 25.01.2014 in den Flieger nach St. Petersburg von Russian Airline einsteigen, da hat’s plus 12 Grad. So verschlägt es uns nicht nur die Sprache als wir bei Minus 18 Grad in St. Petersburg auf einem nigelnagelneuen Flughafen landen und frierend auf das Auto unseres Abholdienstes zusteuern! Aber heute geht’s erstmal ins Hotel, noch mal alle zivilisierten Annehmlichkeiten mitnehmen, bevor uns der Weg Morgen in den Norden führt, etwa 800 Kilometer in Richtung Murmansk. Und da soll es noch wesentlich kälter werden. Brrr…na ja, was soll’s!

Im Hotelrestaurant trinken Sergey und ich zum inneren Aufwärmen ein Bierchen, bestellen Steak mit Salat und Kartoffelbrei! Welch ein Wahnsinn, das Steak schmeckt mir so gut, dass ich gleich noch ein Zweites verdrücke, einfach um den Geburtstag in vier Tagen kulinarisch schon mal hinter mich zu bringen. Wer weiß, was mich da draußen in der Pampa für magenunfreundliche Delikatessen erwarten!

 
 
 
 
 
 


Die freundliche Bedienung noch reichlich mit Rubel beschenkt, geht’s dann in das 5 Sterne Bett und schon träume ich von Miezekatzen mit Pinselohren mit fauchenden und gebleckten Reißzahn-Gebissen!

Morgens dann keine Zeit mehr für einen Cappuccino, fein gemahlen und mit herrlichem Milchschaum versetzt, aus der Bar nebenan, auf deren Theke wahrhaft eine riesige WMF Maschine herüber glänzt.
Sergey hat schon seine Jägerklamotten an und ich steige mit halbhohen Wildlederstiefelchen in den Kleinbus, den nun Alex unser/mein Jagd Guide aus der riesigen und etwas protzigen Stadt heraus gegen Norden ins seenreiche Karelien steuert!

Stundenlang tuckern wir hinauf in Richtung Murmansk, die Straße wird zunehmend schmäler, die typisch russischen Holzhäuschen-Dörfer, an der zweispurigen Verbindungsstraße, tauchen auf und verlieren sich wieder, sowie auch meine Gedanken.

Vergessen ist für einen Augenblick der Ballast, der tagtäglich auf den Schultern lastet und an den Nerven zerrt. Hier ist Russland, hier ist eine andere Welt, ja hier ist wenigstens Winter angesagt!

 
 
 
 
 
 


Als wir nach etlichen 100 Kilometern an einer Raststätte landen, vermisse ich ihn wieder, meinen Cappuccino, mit all seinen deutschen oder wenigstens europäisch bekannten Geruchs- und Geschmacksfacetten! Aber hier gibt’s das nicht, Tee und Wodka versüßen dem Landvolk den Alltag und somit beginnt für mich wieder mal die Zeit des Tee Trinkens. Gott sei Dank habe ich extra meine unzerbrechliche Jäger-Thermoskanne eingepackt.

Als wir von der Hauptstraße abbiegen, rumpeln wir mit dem Ford Transit Bus über holprige, zum Teil von Schnee zugewehte Straßen, bis wir in einem Dorf landen und vor einem großen, mit runden Holzstämmen gebauten Jägerhaus anhalten. Wir sind da!!

 
 
 
 
 
 

 


Victor, der Hausherr, ein etwas gedrungener aber mit wachen Augen ausgerüsteter End-vierziger, erwartet uns schon. Als wir in die gute Stube einrücken, versucht gerade die versprochene 'Köchin' den russischen Holzofen anzufeuern.

Zimmerchen im Parterre werden uns zugewiesen. Sergey im Vorzimmer? Ich dahinter, in einer (Gefängnis) Zelle.

Eine Dreibettzelle. Ein Schrank drin, der so schief steht, dass er kaum zu öffnen ist. Naja, besser wie im Zelt denke ich mir und verteile meine Utensilien auf den Betten.
Wir treffen uns zum Essen in der Stube! Ein schwerer aus Masivholz gebauter Tisch umfasst beinahe die Hälfte des Raumes und zwei klobige Bänke ohne Lehne runden das Bild ab. Wie in Russland üblich stehen Getränke und vielerlei Essen immer auf dem Tisch herum.
Wodka, vergorener Moosbeerensaft, Brot, Kekse und Krimskrams! Die Küchenzeile ist dagegen winzig und die Köchin spült während ihrer Kochgeschäftigkeit laufend Geschirr und stellt es zum Trocknen einfach in den Hängeschrank über die Spüle!

Jetzt gibt’s zur Begrüßung erstmal einen kräftigen Schluck Wodka und das gegenseitige Beschnuppern um den deutschen Jäger, der da in ihre einsame Gegend gekommen ist, beginnt!

Nächsten Morgen ist "der Ofen aus". Bei knapp über null Grad steige ich frierend aus meiner Koje! Gleich zum Ofen um mich zu wärmen, schaue ich unserer Köchin Lena über die Schulter, die gerade Blinis (Pfannkuchen) zubereitet. Nach etwa 7 Stück direkt aus der Pfanne auf die Hand, fangen meine Lebensgeister an unruhig zu werden. Vielleicht sind es auch die in den Genen behafteten Urinstinkte eines Jägers, die mich rauslocken in die russische Taiga.

 
 
 
 
 
 


Heute Morgen hat es draußen minus 25 Grad und der eisige Wind raubt mir erstmal den Atem, als ich mich mit Sergey und Alex auf den Weg mache nach Spuren zu schauen, denn gleich hinter dem Jagdhaus beginnt die eisige Welt des Karelischen Urwalds mit seinen tausenden kleinen Seen und den tückischen Moorgebieten, die übergehen in dichte undurchdringliche Waldgebiete und kaum kultivierbar sind. Ein Paradies für die Tierwelt, angeführt von Bär, Wolf und Luchs auf der Jägerseite, die hauptsächlich Elch, Birk, Auerhahn und den Schneehasen auf ihrer Beuteliste haben. Auf Letzteren hat es auch der Luchs abgesehen. Schwarzwild gibt es hier kaum.

 
 
 
 
 
 

 


Der Hase lebt an den seenreichen Gebieten und wechselt seine Einstände im Winter an die Moor-Baumgrenze, denn da gibt’s reichlich Erlen und viele Weichholzarten. Mitten in der kalten Jahreszeit finden wir rund herum abgenagte Äste, die von Hasenspuren umgeben sind und da sind wir richtig, denn hier ist das Jagdgebiet der Luchse, Hasen sind ihre Leibspeise!

Aber das Terrain ist gefährlich und tückisch für Menschen. Wir überqueren zugefrorene Seen und es knirscht und knackst an den Ufern, vor allem die Moorgebiete sind nur von einer etwa 20 - 30 Zentimeter dicken Schneeschicht zugedeckt, mit darunter liegenden, zum Teil schwimmenden Binsen- oder ähnlichen Sumpfgewächsen.

 
 
 
 
 
 

 

Darunter arbeitet das Moor mit seinen Vergärungs- und Verdauungsprozessen und schafft tückische Trittfallen!

Etliche male versinken wir bis zu den Waden in der morastigen Brühe! Kilometer um Kilometer folgen Sergey und ich unserem Jagd Guide Alex mit seiner treuen und folgsamen Begleiterin Yucca, einem Jagdterrier.

Alex lässt sich von einem GPS-System navigieren, damit wir ein möglichst großes Einstandsgebiet von Hase und Luchs durchkämen können. Nur einmal gegen Abend finden wir die breiten Spuren der Luchstatzen, die gespreizt wesentlich größer wie die eines Wolfs und daher leicht zu unterscheiden sind.
Diese, leider ein paar Tage alten Spuren, lassen wir nicht mehr aus den Augen und folgen bis es Zeit wird umzukehren. Ein langer, anstrengender Tag in der Kälte und schwierig zu überwindender Vegetation liegt hinter uns.
Unsere Wangen glühen und schmerzen als wir die warme Stube betreten und unsere nassen Sachen zum Trocknen über dem heißen Ofen aufhängen!

Die Tage vergehen, mittlerweile bin ich umgezogen in das obere Zimmer. So ist es morgens nicht ganz so kalt weil es über der russischen Stube liegt und der Kamin noch lange nach dem Ausgehen des Feuers nachts das Zimmer wärmt. Allerdings ist ein Hinaufkommen oder Heruntersteigen auf der steilen und rutschigen Treppe weitaus risikovoller als die gesamte Jagd. Ich habe Angst mir den Hals zu brechen und vermeide jedes unnötige Verlassen meines oben liegenden Domizils!

 
 
 
 
 
 

 

Ein weiteres schlimmes Manko, abends bis in die frühen Morgenstunden hinein sitzen Viktor, Alex und wie Sie alle heißen unten in der Stube zusammen, trinken Unmengen von Wodka und lamentieren. Wahrscheinlich Russisches Jägerlatein aber so laut, in beinahe überschlagendem, schreienden Tonfall! Da kann ich nicht schlafen und verfluche meine Entscheidung nicht doch in die Karibik in ein 5 Sterne Hotel mit entsprechendem Ambiente geflogen zu sein!

Aber heute sollte ich für meine Entscheidung hierher zu kommen belohnt werden. 28 Grad Minus zeigt das Thermometer am Fenster. Es ist der 29. Januar, mein 56. Geburtstag. Wir fahren mit dem Uaz von Viktor hinaus zu den frischen Spuren eines Luchses und einem Hasenriss, den wir gestern gefunden haben, etwa 15 Kilometer die Straße hinauf.

Zwei russische Laikas und Alex Terrier Yucca sind mit an Bord!

Meine doppelläufige Ich 27 Baikal Schrotflinte hängt, wie bei der Bundeswehr gelernt, quer über meiner Schulter, das gibt mir Bewegungsfreiheit, um den abgeleinten Hunden auf der frischen Luchsspur zu folgen. Die Taschen habe ich voller Schrotmunition vom Kaliber 12/70. Sergey trägt meinen Jagdrucksack mit Ersatzhandschuhen und wichtig - meine volle Thermoskanne mit schmackhaftem Pfefferminztee! Es kann losgehen!

Wir folgen Victor, es ist sein Revier hier und er hat das Sagen, aber ich dränge auf Geschwindigkeit, dem Bellen der Hunde hinterher zu kommen. Irgendwo da vorne haben die wohl eine warme Spur und nun gilt es schnell zu sein und den Luchs, (wenns denn einer ist), nicht entkommen zu lassen. Wir geben unser Bestes, denn in dem zugeschneiten Urwald ist ein Vorwärtskommen eine Kraftanstrengung sondergleichen.

Trotz der 28 Grad Minus fange ich nach einer halben Stunde Verfolgungsjagd an zu schwitzen. Eindringender Schnee von den mit Schnee überladenen Ästen sorgen für kalte Duschen, wenn sie ihre weiße Pracht beim unten Durchschlüpfen herabregnen lassen!

 
 
 
 
 
 

 

Etwa eineinhalb Stunden sind wir schon den Hunden hinterher durch den Wald gelaufen, mein Puls schlägt auf Höchstlast und das hitzige Bellen kommt immer näher. Ich vermute, dass die Laikas ein Tier gestellt haben müssen. Vorsichtig ziehe ich meine Schrotflinte vom Rücken, klappe sie auf, blase und schüttle die Rohre sauber. Gleich lade ich beide Rohre und pirsche mich verhalten und langsam näher auf die bellende Hundemeute zu. Sergey und Victor bleiben zurück.

Nun gilt es auf Sicht heranzukommen. 50 Meter vor mir, auf einer kleinen Anhöhe zwischen hohen Fichten, wechselt plötzlich ein Hund hin und her. Ich gehe gebückt weiter auf die Anhöhe zu, da sehe ich den Luchs stehen. Die Hunde umkreisen ihn laufend, ein Schuss gerade mit der Flinte ist unmöglich, er würde die wertvollen Hunde gefährden. Der Luchs hat noch nichts von mir mitbekommen und faucht die Hunde an, was für ein Bild!

Die Waffe gespannt und angebackt warte ich auf meine Chance! Plötzlich springt der Luchs etwa zwei Meter nach rechts, der Lauf der Waffe folgt ihm sogleich und er steht frei. Bumm, der obere Lauf meiner Flinte lässt die Ladung hinaus. Der Luchs zeichnet sofort und springt mit einem Satz in die Höhe und noch etliche Meter auf eine Dickung zu und bleibt liegen. Sofort fallen die Hunde über ihn her und glücklicherweise schafft es Victor die Meute in Griff zu kriegen und sie lassen von meiner Beute ab!

Mein Gott, das gibt’s doch nicht, ich halte den Luchs in meinen Armen und kann’s kaum fassen. Die Chancen beim ersten Anlauf hier in Karelien einen Luchs zu erlegen war sehr gering, sogar russische Freunde haben mir abgeraten. Die Streifgebiete und Habitate der Luchse sind so ausgedehnt, dass es einfach nur Glück war und auch noch an meinem Geburtstag auf diese Spezies zu treffen.

Aber ich habe einen sehr erfahrenen und ausdauernden Guide an meiner Seite und Alex hat einfach das Gespür und die Erfahrung, er ist der eigentliche Held!

Und so beginnt natürlich erstmal unser Fotoshooting, alle freuen sich über diese gelungene Aktion. Vor mir liegt ein etwa zweieinhalbjähriger Kuder, also ein männlicher Luchs, der sich vor den Hunden verteidigt hat. Er könnte locker einen einzelnen Angreifer töten. 'Weibliche Luchse flüchten bei Hetzjagden mit Hunden eher auf Bäume', übersetzt mir Sergey!

Nun geht es darum den Kuder aus dem Wald zu bringen. Traditionell ist dies die Aufgabe des Schützen und so schultere ich meine Beute und trage den etwa 30 Kilo schweren Luchs kilometerweit aus dem Karelischen Winterwald. Meine Flinte übernimmt derweil Alex!

 
 
 
 
 
 


An einer Zufahrtsstraße wartet der Uaz-Bus. Gott sei Dank, ich bin platt vom tragen und trinke erstmal genüsslich meinen Tee, den Sergey hierher gebracht hat.
Andere Jäger kommen hinzu und ich werde überhäuft mit Waidmannsheil Glückwünschen, wahrlich ein besonderer Tag heute, mein Geburtstag!

 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 


Zu Hause in der Jagdhütte angekommen begrüße ich Michael, meinen russischen Kunden, er ist extra aus Moskau mit dem Zug angereist und kommt gerade zur rechten Zeit. Das wird heut Abend ein Fest, gleich wird die Sauna nebenan angeheizt und Lena ist schon fleißig am Kochen. Alles was so eine russische Küche hergibt wird aufgefahren und als wir aus der Sauna zurückkommen, bin ich schon sehr benebelt. Die vielen Wodkarunden sind nichts für mich und nach dem ausgiebigen Essen verabschiede ich mich hoch in mein Kämmerchen.

Aber ich finde kaum Schlaf denn die russische Feierrunde ist nicht klein zu kriegen, egal ob das "Geburtstagskind" dabei ist, es wird lautstark gefeiert bis in die frühen Morgenstunden!

Tags darauf kämpfen so einige mit 'Katern' anderer Art als gestern. Ich ziehe mir zum Frühstück meine Blinis rein und bin guten Mutes, denn heute lasse ich mal fünf gerade sein und ruhe mich aus.
Als am späten Nachmittag Alex aus dem Wald zurückkommt meint er auf Waschbärspuren gestoßen zu sein.

Am nächsten Morgen und es sollte auch unser letzter hier in Karelien sein, gehe ich noch mal mit Alex und Victor auf Jagd. Yucca wird auf die frischen Waschbärspuren angesetzt.
Kaum auf der Fährte und wir hinterher, stellt Yucca ein graues Bündel fauchendes und kämpfendes Etwas da im Unterholz und als Alex seinen Hund zurückpfeift fliegt eine Geschossgarbe aus meiner Flinte, dem grauen kleinen Tierkörper, der aussieht wie ein junger Waschbär, hinterher und bannt das 'graue Fellbündel' in den weißen Schnee! Es ist ein Marderhund.

 
 
 
 
 
 


Das Gesicht etwa wie ein Waschbär hat der Marderhund einen kürzeren und nicht geringelten Schwanz. Er ist ein Opportunist und hier häufig anzutreffen und gehört zum Beuteschema der Luchse.

Alex zieht zu Hause dem Marderhund profimäßig den Balg ab und der wird nun, wie das Fell des Luchses, irgendwann die Reise nach Deutschland antreten, sofern beide Felle gegerbt und getrocknet sind.

Danach beginnt das Prozedere von russischen Waidmannsheil Wünschen erneut und auch der Wodka fließt wieder in Strömen. Was soll’s, alle haben Feierlaune, das Leben ist zu kurz um solche Augenblicke nicht zu genießen!!!

Morgen geht’s nach St. Petersburg zurück und ich habe wahrlich genug aufregende und spannende Jagderlebnisse hinter mir!

Michael, Sergey und ich lassen uns Tags darauf von Alex zurück chauffieren nach St. Petersburg, in ein nobles Hotel in der Stadtmitte.

Unter der Führung einer deutschsprachigen Stadtführerin erkunden wir die nächsten Tage viele Sehenswürdigkeiten von St. Petersburg. Natürlich auch die Sommerresidenz die von "Katharina der Ersten" in Auftrag gegeben wurde! Aber offensichtlich hat der große Dichter und Schriftsteller "Puschkin" die russische Geschichte mehr beeindruckt, denn ein ganzer Stadtteil wurde nach ihm benannt. Gerade auch die Örtlichkeiten der Sommerresidenz der ehemaligen Zarin.

 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 


So ist Russland, die Stadt St. Petersburg bringt mich zum Staunen. Die moderne, großzügige als Venedig des Nordens bekannte Stadt mit unzähligen aufklappbaren Brücken, beeindruckt mich natürlich, denn hier wurde nicht nur Geschichte geschrieben.

Somit kann ich am 3. Februar voller neuer Eindrücke die Heimreise antreten und in Gedanken plane ich schon die nächste Reise nach Russland, in ein Sehnsuchtsland, das mich wohl nie wieder loslassen wird!


Januar im Jahre 2014
Mit freundlichem Waidmannsheil von Karl Holzinger


Serbische Jagderlebnisse


Es ist der 28. Oktober im Jahre 2011!
Slavisa und ich haben gerade unseren Flieger nach Belgrad versäumt, verdammt! Das fängt ja gut an. Wir stehen am Lufthansa-Schalter in München und ich fasse es nicht, ein Anschlussflug ist heute nur mehr über Frankfurt möglich. Außer, ja außer im nächsten voll ausgebuchten Flug nach Belgrad, der zwei Stunden später abhebt, kommt jemand nicht, sagt ab oder er schafft es nicht rechtzeitig. Eben genauso, wie wir beide Helden einfach zu lange mit Frühstück herumgetrödelt haben, draußen nach der Gepäckaufgabe. Es waren dann viel zu viele Muslime vor uns am Zoll, die alle nach Mekka wollten, wie uns gerade die nette Stewardess mitteilt und uns tröstet mit den Worten, dass wir wieder hierher kommen sollen an den Schalter, wenn es nicht geklappt hat und sie uns nach Frankfurt umbuchen muss. Aber das Glück ist auf unserer Seite und die nette Stewardess hin oder her, wir sehen sie Gott sei Dank nicht mehr, wir landen bereits in Belgrad!

Ein kleiner verschrumpelter Geländewagen holt uns ab und wir fahren hinunter nach Süd-Ost entlang der Donau, um an der Landesgrenze nach Rumänien in unser eigentliches Jagdgebiet zu gelangen. Die Gegend hier heißt „Banat“ und ist bekannt geworden, weil viele Donauschwaben sich hier angesiedelt und das ursprünglich sandige Gebiet kultiviert haben. Slavisa ist da aufgewachsen und Jäger seit er denken kann, sein Vater und viele Verwandte haben sich der Jagd verschrieben. Ich bin froh, so einen erfahrenen Kenner der serbischen Peripherie bei mir zu haben. Seit etlichen Jahren ist Slavisa mit seiner Familie nun in Deutschland und auch seit Jahren arbeitet er bei mir in meiner Firma als absolut zuverlässiger Logistikmitarbeiter, da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Wir checken ein in eine großzügig gebaute Jagdhütte, unweit der Zufahrtsstraße und ein italienisches Stimmengewirr empfängt uns im etwas überkandidelten Speiseraum oder Jagdsalon, in unserer für neun Tage gebuchten Jagdhütte. Es werden uns Zimmer zugewiesen, Miniaturausgaben von meiner eigentlichen Zimmervorstellung, aber man soll ja nicht immer gleich meckern!

 
 
 
 
 
 


Nun erfahre ich, dass die Scharr der italienischen Jagd-Konkurrenten nur Enten jagen wollen und heute hier nur ihr Abendessen zu sich nehmen. Schlafen werden sie woanders!
Ich hatte schon befürchtet, die nächsten Tage mit den Gigolos die Unterkunft und Küche teilen zu müssen!

Aber schon sind sie weg, die Entenjäger; und etwas verständnislos erfahre ich, dass sie 40.000,- Euro bezahlt haben für die Jagd hier und für ein Jahr. Dafür dürfen sie auf über 30.000 Hektar Fläche hier an der Donau alle Enten und sonstiges fliegendes Federvieh jagen, das ihnen vor die Flinte kommt und das machen die schon jahrelang so. Mein Ding ist das nicht, ich stehe mehr auf größeres Wild, vor allem Keiler haben es mir angetan, aber hier soll es auch viel Rotwild geben und ich möchte gerne meinen ersten Hirsch schießen. Mal schauen, ob das möglich ist.

Nach einer kräftigen Nudelsuppe, serviert vom Koch mit zur Übertreibung neigendem dienerhaften Getue, nein, 'oh Gott', er ist wohl doch eher der Küchengehilfe. Die dominante und honorige und sicher bereits im Rentenalter befindliche Köchin kommt gerade aus der Küche und ihr tiefer Bass reißt mich fast vom Hocker, es ist klar, wer hier das Sagen hat und jetzt verstehe ich auch die durchaus sinnvolle, in sich ergänzende Zusammenstellung des Küchenpersonals. Hahaha, das Traumpaar schlechthin.

Nach dem Essen kommt ein älterer Mann in typischer Jägertracht und stellt sich als Jagd-Chef vor. Er bringt uns Zoli mit. Zoli ist ein erfahrener Jagdführer, wohl Ende vierzig, ein absoluter Kettenraucher, aber er meint sehr ernsthaft, dass es morgen Früh um vier Uhr losgeht, raus zur Pirsch auf Rotwild. Er ist mein zuständiger Begleiter und soll mich zum jagdlichen Erfolg führen. Ich bin gespannt!

Mein Handywecker reißt mich aus dem Schlaf. Vorne im großzügigen Jagdsalon wartet schon und natürlich mit rauchendem Glimmstängel Zoli, er übergibt mit eine einläufige Kipplaufwaffe, beim genauen Hinsehen eine russische Baikal mit einem aufgesetzten Buschnel Zielfernrohr und eine volle Schachtel Munition, .30.06.er Kaliber. Da sitze ich auch schon in einem indischen Geländewagen und gemächlich fährt Zoli hinaus auf den sandigen Wegen, hinein in das mit Kiefern und Birken vornehmlich bewachsene riesige Jagdgebiet, das, wie bereits gestern erklärt, durch das mehrere Kilometer breite Donauflussbett abgegrenzt ist.

Licht aus, die letzten Kilometer fahren wir bei mäßiger Morgendämmerungssicht, bis eine Waldwegkreuzung Zoli zum Halten veranlasst. Es ist soweit, Zoli geht voraus, ich knapp hinterher, es geht denn Weg entlang und nachdem sich Zoli noch mal am Auto richtig ausgehustet hat und dadurch seine Gesichtsfärbung ins Dunkelrote übergeht, zeigt er jetzt vorbildliche Pirschgangqualitäten! Auf den sandigen Wegen sind oftmals frische Spuren von Schwarzwild und Rotwild auszumachen. Hin und wieder meint Zoli die Spur eines Hirsches herauszulesen. Vornehmlich dadurch, dass diese Schalenabdrücke größer sind und durch das Gewicht mehr in den Boden eindringen. Hochgespannt folge ich Zolis Fährtenlese-Aussagen. Immer gegen den lauen Wind schlagen wir neue Richtungen ein, aber abseits der Sandwege im Bestand liegt schon zu dichtes Blattwerk, welches der beginnende Herbst bereits von den Bäumen getrieben hat. Wir bleiben auf den Wegen und nachdem wir eine größere Lichtung queren, geht’s wieder hinein in den serbischen Wald.

Nach etwa 300 Metern steht plötzlich ein Stück Kahlwild am Wegrand und scheint unsere geduckte Pirschgangart neugierig zu beäugen. Zoli bleibt abrupt stehen und deutet mir an, rechts am Wegrand in Deckung zu gehen. Im Zeitlupentempo kriechen wir an den Rand des nächsten Gebüschs und warten ab. Ich ziehe meine Büchse vom Rücken, da kommt plötzlich ein Hirsch neben der Hirsch-Kuh auf den Weg. Zoli zischelt sofort in meine Richtung irgendwas von 5 Kilo und zeigt mir auch gleich eine Hand mit ausgestreckten 5 Fingern. Er drängt mich zu schießen und ich gehe kniend in Anschlag. Da dreht sich der Hirsch und zu meinem Bedauern zieht er einfach wieder zurück in den unübersichtlichen Serbischen Urwald.

Etwas verdattert stehe ich auf und Zoli, sichtlich enttäuscht, meint, dass die Trophäe am Gewicht von 5 Kilo etwa 800,- Euro gekostet hätte, was ja durchaus in meinem Budget gelegen hätte. Als ich stehend eine weitere Erkundungsrunde mit meinen Augen drehe, sehe ich auf der anderen Seite des Weges im Bestand einen großen Hirsch stehen und hols der Teufel, er hat mich ausgemacht, in großen Sprüngen verliert sich seine Erscheinung wie ein Gespenst im Unterholz der nächsten Biegung den Hang hinunter. Ich glaube zu ahnen, was nun Zoli über mich denkt und jetzt nach fast drei Stunden Pirschgang kehren wir zurück in unser Jagdhaus. Wartend öffnet uns Slavisa die Tür und erkennt wohl augenblicklich an meinem finsteren Gesichtausdruck, was uns widerfahren ist.

Die knorrige Köchin fragt nach meinem Frühstückswunsch und ich gebe Pfannkuchen in Auftrag. Missmutig stopfe ich mich dann mit sechs oder sieben Pfannkuchen voll und trinke Tee dazu. Der Kaffee hier erscheint mir verwöhnten Latte Macchiato Trinker geschmacklich unmöglich. Nescafe ist einfach nicht mein Ding.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages soll ich auf Keileransitz gehen. Zu meinem Entsetzen heißt es, dass auch mein Betreuer Zoli mit auf der Sau-Kirrungskanzel sitzen wird.

So was habe ich noch nie erlebt, aber Slavisa erklärt mir, dass das hier gesetzlich so vorgeschrieben ist und ein Jagdgast so wie ich niemals beim Jagen allein gelassen werden darf mit scharfer Waffe.
Außerdem kann er, sollte tatsächlich ein Keiler anrücken, den sicher ansprechen und somit einen weiblichen Fehlabschuss verhindern. Ich beuge mich letztendlich der gesetzgebenden Macht des Staates Serbiens.

Wir sitzen auf einer sehr geräumigen Kanzel auf heruntergekommenen Holzstühlen und ich ziehe mit Freude mein allzeit bewährtes Sitzkissen heraus, das mittlerweile zu meinem 'Maskottchen' mutiert ist. Mit einem Seitenblick auf Zoli meine ich zu erkennen, dass er sich ein nach innen gekehrtes Grinsen nicht verkneifen kann. Vor uns liegt eine von Sauen verwüstete Waldschneise und nach einer halben Stunde auf die Kirrung starren, höre ich das herannahende Geräusch eines Traktors. Ich fasse es nicht, das Geräusch kommt näher und näher und da biegt ein typischer, wohl aus Russland stammender, eckig geformter Allradtraktor mit Anhänger in unsere Waldschneise herein und bleibt zirka 80 Meter vor uns auf der Lichtung stehen. Der Fahrer steigt ab, würdigt uns keines Blickes und fängt an, Maiskolben vom Hänger herunter zu werfen. Da. Da, ich glaube es nicht, kommt doch tatsächlich ein junger Keiler aus der Dickung hinter der Schneise und steht etwa 50 Meter vom Maiskolbenhaufen entfernt in voller Pracht und Größe, um an den Leckertisch zu kommen.

 
 
 
 
 
 


Ich glaube, ich werde hier veräppelt? Die Waffe bleibt, wo sie ist, der Traktor samt Fahrer sind im Schussfeld und Zoli gibt mir zu verstehen, dass dies da vorne kein Keiler zum Abschuss ist. Der Traktor ist weg und eine geschlagene dreiviertel Stunde habe ich nun den gefräßigen etwa zweijährigen Keiler im Anblick und mache etliche Fotos von seinem Auftritt. Dann zieht er ab und die Kirrung ist leer!

Der Tag neigt sich dem Ende zu und es fängt an zu dämmern, nichts tut sich mehr. Zoli hat es tatsächlich ohne Zigarettenqualm bisher ausgehalten und ich harre der Dinge, die jetzt kommen sollen.

Keine Dinge, eine Rotte Sauen zieht plötzlich etwas verhalten aus der Dickung heraus und die Frischlinge und Überläufer wetteifern schon um die herumliegenden Maiskolben. Ich sehe, wie die größeren Bachen sehr, sehr vorsichtig aus dem Bestand herüberäugen und blitzschnell zum Maishaufen laufen, um, geschwind nach den Maiskolben schnappend, wieder in den Bestand zurückzukehren. So läuft das hier also. Die schlauen Bachen wissen, dass ihnen Gefahr droht und ich beobachte weiter sehr angestrengt, ob nicht auch ein reifer Keiler darunter ist. Aber leider steht die Rauschzeit noch bevor und die Keiler ziehen um diese Zeit meist alleine herum.

Es wird sehr duster, der Mond ist noch nicht aufgegangen. Die Rotte macht sich davon und Zoli gibt Zeichen unser Zeugs zu packen und abzubaumen. Jetzt wäre es an der Zeit auf Nachtsichtgeräte umzurüsten, aber die gibt es hier nicht, das ist landesweit verboten. Ich folge seinem Vorschlag, Zoli ist schon fast auf halber Leiter, da höre ich ein Grunzen herüber aus der Dickung! Ich raune Zoli auf Englisch zu, zurückzukommen und nehme wieder auf der nun nackten Stuhloberfläche Platz. Dann traue ich meinen Augen nicht, eine weitere Rotte zieht aus der anderen Seite der Dickung heraus, alles Überläufer-Größe, dann taucht ein ausgewachsener reifer Keiler inmitten der Rotte auf. Ich zittere vor Aufregung, den will ich haben. Aber weit gefehlt, zu meinem Entsetzen sichert die Rotte plötzlich und aus der anderen Ecke rückt die große Rotte, wohl die von vorher, wieder an. Die erste Rotte stiebt auseinander und verschwindet augenblicklich im Wald. Scheiße!

Bange Minuten vergehen, ich versuche in meinem Absehen Unterscheidungsmerkmale der auf unserer Bühne befindlichen Rotte zu ergründen. Vielleicht ist doch noch ein reifer Keiler dabei. Da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie die zurückgewichene kleinere Rotte aus der Dickung zurückkommt. Der deutliche, über den anderen Sauen stehende schwarze Widerrist des schweren Keilers schiebt sich zwischen den anderen Sauen in Richtung Kirrung. Ich ziehe ihn ins Absehen, da schreckt er plötzlich einige Meter zurück. Meine Nerven liegen blank, dann habe ich ihn wieder eingefangen und er steht halbwegs frei, mein Schuss bricht! Die Bühne ist augenblicklich leer!

Da freut sich Zoli, er gibt mir zu verstehen, dass er deutlich gesehen hat, wie der schwere Keiler gezeichnet hat und dass er mit beinah trippelnden Bewegungen, einen engen Bogen schlagend, zurück mit der Rotte in den Bestand geflüchtet ist. Zoli zündet sich seine wohlverdiente Zigarette an und ich kann es kaum erwarten, meine Beute in Augenschein zunehmen.

Wir stehen suchend mit Taschenlampen am wohl gemeinten Anschuss und finden nichts, Zoli sucht dann weiter oben am Bestandseingang, da ist etliche Meter dahinter ein kleiner Weg und er glaubt auf der Fährte des Keilers zu sein, die Schalenabdrücke im Sand verheißen ihm die Spur. Aber da sind so viele Spuren, der Keiler ist nicht zu finden. Kein Schweiß, keine sonst üblichen hellroten Schweißspritzer verursacht durch einen sicheren Lungentreffer. Nicht einmal ein Tropfen abgestreifter Schweiß auf dem Boden oder an irgendwelchen in Nähe des Bodens liegenden Totholzgetümmels! Wir brechen die Nachsuche ab, ein Hund ist nach mehreren Telefonaten heute nicht mehr zu kriegen.

Ich fahre mit Zoli zurück, wir machen Halt an seinem Jagdhaus, das hat ihm der Staat zur Verfügung gestellt. Zoli ist ein vom serbischen Staat angestellter Jäger, in dessen Auftrag er Jagdgäste führen darf, alles ist sehr streng geregelt, übersetzt mir an und wann mein deutsch-serbischer Begleiter Slavisa! Ich lerne bei einem Glas Tee Zolis Frau und Sohn kennen, ein aufgewegter 18-jähriger Bursche mit tadellosen Englischkentnissen.

Zoli vertröstet mich auf Morgen zur Nachsuche, er meint, der Keiler liegt vielleicht nur ein paar Meter weiter und er ist sich meines guten Treffers absolut sicher.

Am nächsten Morgen um vier geht es raus, auch Slavisa fährt mit zur Nachsuche und ich bin sehr froh darüber. Ein weiterer Jäger kommt hinzu, wohl der, der die Fütterung tags zuvor mit Maiskolben beschickt hat. Am Anschuss finden wir heute Morgen natürlich auch nichts und wir schwärmen aus, um jetzt in der Tagesdämmerung auf Sicht zu suchen. Kaum habe ich meinen Weg eingeschlagen in die vermutete Fluchtrichtung, die Zoli und ich bereits erkundet haben wollen, da höre ich Slavisa rufen. Er hat ihn gefunden!

Etwa 300 Meter vom Anschuss entfernt liegt nun der schwarze Brocken, mein Basse, mit etwa 150 Kilo Gesamtgewicht und mit Waffen von fast 20 Zentimeter Länge tot in einer Gebüschgruppe. Ich schaue nach meinem Treffer und stelle fest: Etwa eine Handspanne zu weit hinten. Na ja, ein Vorzeigetreffer ist das wohl nicht und ich schäme mich ein bisschen, meine Freude über den doch glücklichen Ausgang dieser Keilerjagd ist etwas getrübt. Nach dem professionellen Aufbrechen wird mit einem traditionellen Slivovic-Umtrunk in Zolis Jagdhaus das Ereignis begossen.

 
 
 
 
 
 


Slavisa und ich nutzen die Gelegenheit und machen einen Probeschuss auf Zolis provisorischem Schießplatz hinterm Haus. Distanz 100 Meter, beide Projektile landen im Schwarzen, im 4 Zentimeter großen Isolierband beklebten Flecken und liegen etwa 2 Zentimeter auseinander, die Waffe stimmt.

Nun beschließen wir, dass Slavisa abends zur Ansitzjagd immer dabei sein soll, um Übersetzungsprobleme schnell in Griff zu bekommen. Einige Kanzeln fahren wir nun in aller Ruhe gemeinsam ab, sie scheinen groß genug und ich entdecke am Ufer der Donau wunderschöne romantische Buchten, die unsere Italiener auch heute Morgen mit vielen Donnerschlägen aus ihren Flinten leider schon besetzt halten.

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Mittags fahren Slavisa und ich mit einem Taxi in die nahe gelegene Stadt Weißkirchen. Eine ehemalige deutsche, von den Donauschwaben gegründete Stadt, die direkt an der Grenze zu Rumänien an den Ausläufern der Karpaten liegt. Wir trinken genießbaren Kaffee und ich bin sehr verwundert, wie viele Menschen unterwegs Slavisa freundlich begrüßen, ja es ist seine Heimat hier und er ist wohl sehr beliebt in und mit seiner ruhigen und freundlichen Art auch im Umgang mit seinen Mitmenschen. Zwei Tage später sitzen wir zu dritt an einer Maiskolbenkirrung und warten auf einen Hirsch.

Viele Spuren deuten darauf, dass sie Tags zuvor da waren, aber nur Kahlwild kommt an die Kirrung. Als wir schon abbaumen wollen, taucht eine Rotte Sauen auf und ich denke, das hier muss ein jagdliches Paradies sein. Zoli und Slavisa wetteifern mit ihren Auswahlkriterien beim genauen Ansprechen. Ich sitze im Anschlag und versuche die Sauen im Absehen zu unterscheiden. Immer wieder kommt eine Sau aus der Dickung, greift sich ein bis drei Maiskolben und ist genauso schnell wieder weg. 'Keiler, Keiler', höre ich sie beide flüstern, als wieder eine einzelne Sau das Prozedere beginnen will und kurz vor dem Maishaufen breit stehend verhofft. Bumm, und die Kugel ist draußen, im Feuer fällt die Sau und schlegelnd bleibt sie liegen. Als wir auf die Lichtung kommen, liegt da eine Sau, etwa 100 Kilo schwer, aber eine Bache. Zoli flucht, weibliche Sauen dürfen nicht geschossen werden und er hat jetzt Repressalien zu erwarten, er muss diesen Abschuss wohl selbst bezahlen und jammert herum, er hatte die Verantwortung. Slavisa und ich sind auch verdutzt und wir diskutieren herum, wie uns so was passieren konnte. Im Mondlicht hat die Silhouette der Sau eindeutig wie die eines schweren Keilers ausgesehen! Wir haben uns alle getäuscht!

Wir laden die Sau auf unseren Geländewagen und ich frage Slavisa, was denn die Sau so kosten würde. Er fragt Zoli und ich höre etwa 140,- Euro kostet unsere Ladung! Spontan entschließe ich mich, den Fehlabschuss aus meiner Tasche zu bezahlen und Slavisa übersetzt die freudige Nachricht sofort für Zoli. Der schüttelt mit kräftig die Hand und bedankt sich überfreundlich, es wäre ja auch ein großer Teil seines Monatslohns gewesen. Auf jeden Fall ist das Eis zwischen uns jetzt endgültig gebrochen.

 
 
 
 
 
 

Nächsten Abend, eine andere Kirrung, alle drei sitzen wir und schauen begeistert wieder einer Rotte Sauen beim Streit um die Maiskolben zu, aber kein Keiler ist dabei. Die Sauen jagen sich gegenseitig hin und her, hier ist wohl lange nicht mehr geschossen worden und die Rotte kennt keinen Jagddruck, so wie die Rotte von gestern. Auch zwei schneeweiße Sauen sind darunter, was ich mit großer Bewunderung feststelle. Albinos gibt es also auch beim Schwarzwild, für Zoli scheint das absolut normal zu sein.

Später geht der Mond auf und das Dämmerlicht reicht gerade so, um im Absehen Umrisse zu erspähen.

Da kommt plötzlich links aus dem Bestand eine Hirschkuh heraus und zieht weiter Richtung Maiskolbenhaufen. Potz blitz, ein ausgewachsener Hirsch vielleicht vom 6. oder 7. Kopf kommt hinterher. Zoli ist sogleich am Rechnen. 5 bis 6 Kilo schwer ist die Trophäe, meint er in der Dämmerung zu erkennen. Ich zögere nicht lange, schiebe meine Baikal nach vorne und ziele hoch auf den Träger des Hirsches, um keine der hinter ihm stehenden Sauen zu gefährden.

Rums, die Kugel verfehlt ihr Ziel nicht, der Hirsch fällt sogleich im Feuer. Im Bestand knackt und poltert es eine Weile, dann ist Ruhe. Sogleich beglückwünschen mich Slavisa und Zoli und wir freuen uns um so mehr, als da ein Rothirsch mit einem Geweihgewicht von über 6 Kilo liegt, Zoli schätzt das Alter auf etwa 7-8 Jahre. Mein erster Hirsch liegt!

 
 
 
 
 
 

Zu Hause wartet schon unser Abendessen. Vor Tagen ist ein junger deutscher Jäger zu uns gestoßen und auch der hatte heute großes Waidmannsheil, er hat auch seinen ersten Hirsch erlegt. Da müssen wir nun beide die traditionelle Hirschtaufe über uns ergehen lassen.

Wir kommen nacheinander vor Gericht, erst Kornelius, ich übernehme großzügig seine Verteidigung, Slavisa muss alles übersetzen. Kornelius’ Jagdführer klagt ihn an und meint, dafür, dass der Treffer nicht so gut war und der Jagdführer den Hirsch über eine Stunde weitläufig nachsuchen musste, bekommt Kornelius 15 Schläge auf den Hintern, draußen neben seinem auf einem Anhänger liegenden Hirschen. Ich versuche die Anklage herunter zu spielen und werfe Nervosität eines Anfängers in die Waagschale, recht viel mehr glaubwürdiges Verteidigungspotential fällt mir nicht mehr ein, so dass Kornelius nun 10 Schläge auf seinem Arsch aushalten muss.

 
 
 
 
 
 

Nun bin ich an der Reihe, Kornelius hat zu meiner Überraschung schlagkräftigere Verteidigungsargumente, Hirsch lag im Feuer und andere auch übertriebene Ausreden helfen mir, mit nur 7 Stockschlägen das gleiche Schicksal zu erleiden wie er!

Tags darauf ist Kornelius nach Belgrad abgereist und ich bin morgens um vier Uhr wieder mit Zoli draußen auf Pirschgang. Nebel ist aufgezogen über Nacht und hat die geschlossene Blätterdecke hier im Wald angefeuchtet, so dass unsere Schritte darauf sehr geräuscharm sind.

Gedankenversunken folge ich Zoli bereits seit 2 einhalb Stunden kreuz und quer durch die urwüchsige Peripherie und bin sehr zufrieden, habe meine Wünsche hier weitgehendst erfüllt, einen großen Keiler und meinen ersten Hirsch geschossen. Ich ahne jedoch nicht, was ich heute noch erleben würde.

Nachdem wir zum xten mal heute in einen weiteren vor uns auftauchenden, zugewachsenen Waldweg einbiegen, trotte ich etwas teilnahmslos hinter Zoli her und freue mich schon auf das anschließende Frühstück. Ich habe einen Mordshunger.

Da bleibt Zoli plötzlich abrupt stehen und deutet mir eine Hirschkuh, die etwa 150 Meter vor uns mitten auf dem bis über die Hüfte bewachsenen Weg steht und uns bisher weder gewindet noch eräugt hat. Äsend und wiederkäuend steht sie im matten Schein der aufgegangen Sonne, dessen Licht sich nur zögerlich durch die Nebeldecke schiebt.

Sofort kauern wir uns nieder und Deckung suchend in niedrigster Gangart (wie man bei der Bundeswehr sagt) versuchen wir näher heran zu kommen. Wo sich Kahlwild aufhält, kann auch ein Hirsch stehen und das wollen wir genau ergründen. Zoli unterdrückt gerade gekonnt ein paar Raucherräusper und beide hangeln wir uns vorwärts die natürliche Deckung nutzend, um näher an unsere Hirschkuh heranzukommen.

Bis auf 80 Meter schleichen wir uns an, die Hirschkuh wechselt mal links und mal rechts in den Bestand, kommt aber wieder auf den etwa 2 Meter breiten Weg zurück. Ich höre gerade Zoli etwas von einem Hirsch flüstern, der weiter hinten im Bestand sein soll, sehen tue ich momentan nichts, ich wechsle ein paar Schritte nach vorne, um hinter einem Kiefernstamm Deckung zu finden. Da sehe ich etwas anderes, seelenruhig wechselt plötzlich ein Frischling über den Weg, für einen Moment verschlägt es mir den Atem, als weitere Frischlinge von rechts aus der gebüschartigen Wegbegrenzung herüberziehen, die Hirschkuh etwas dahinter ist sogleich weg. Da kommt auch Mama Bache, ihren Körper kann ich besser erkennen, da die große Silhouette doch etwas aus der dichten Gras- und Buschvegetation grau-schimmerig im Morgenlicht herüber glänzt. Dann, ein zweiter großer Sauenkörper schiebt sich dazwischen, oh mein Gott, es ist ein Keiler, und was für einer, noch mal 20 Zentimeter höher im Rückenrist als die Bache. Suchend steht er mitten auf dem Weg, kleine Sauenkörper wandern hin und her und längst habe ich links am Kiefernstamm angestrichen, als endlich für einen Moment der Keiler frei steht. Ich fahre mit dem Zielstachel am hohen beinah keilförmigen Rist entlang, fixiere auf das halb verdeckte Schulterblatt etwas zurück und lasse fliegen! Sofort lade ich nach und mit einem Seitenblick auf Zoli, der freudestrahlend etwas hinter mir steht, gestikuliert er mir mit der rechten Hand eine flache Linie vor seinem Hals zeichnend, er liegt, der Keiler, er ist im Feuer gefallen!

Ich gehe vorsichtig heran und sehe, der Keiler schlegeld immer wieder und japst nach Luft, ich erlöse ihn mit einem zweiten gezielten Schuss in die Herzgegend und sofort ist er tot.

Mein Gott! Da liegt ein Riesen-Keiler, so wie ich seinesgleichen nur einmal in Russland gesehen und zu Fall gebracht habe. Über 200 Kilo soll er wiegen, meint Zoli und sein Gewaff ist deutlich größer als das des vor ein paar Tagen geschossenen Keilers. Aufgeregt rufe ich Slavisa an und berichte von meinem Jagdglück.

 
 
 
 
 
 


Dann kommen sie ihn abholen, Zoli und ich haben inzwischen den 'Bassen' in Position gerückt und wir schießen wohl unvergessliche Bilder. Zu viert versuchen wir nun, das Schwergewicht auf das von mir nicht zu identifizierende Revierfahrzeug zu hieven. Nach mehreren Versuchen gelingt es und ich frage nach der Marke dieses olivgrünen Jeeps, wohl ein Fahrzeug aus der ehemaligen serbischen Armee. Für den Straßenverkehr ist das Vehikel nicht zugelassen, sagt man mir, es stammt aus einer vergangenen Epoche Serbiens, gebaut in russischen Nachkriegsfabriken.

 
 
 
 
 
 


Acht Pfannkuchen vertilge ich heute im Nu und unsere Köchin ist stolz auf ihre Kochkünste. Sie freut sich, dass es auch dem deutschen Jäger schmeckt. Eine Augenweide ist sie ja nicht gerade und diese weibliche dumpfe Bassstimme, na wenigstens kommt da keiner auf dumme Gedanken. Aber lassen wir das lieber!

Ich liege in meinem Kämmerchen, meinen vollen Ranzen nach diesem Frühstück weit von mir gestreckt und lasse den angefangenen Tag noch mal Revue passieren. Das war ein Erlebnis, für mich unvergesslich!

Zwei Tage noch, dann geht es zurück. Der Chefjäger kommt vorbei, misst meine beiden Keilerwaffen aus und verhängt dem ersten eine Bronzemedaille und der zweite hat anscheinend die Goldmedaille knapp verfehlt. Somit kann ich mit zwei Medaillen heimfahren. Dieses Prozedere habe ich so auch noch nicht erlebt und freudig nehme ich sie beide entgegen.

Am letzten Abend fahren wir noch mal raus auf Ansitz, egal was kommt, ich habe genug geschossen. Ich nehme alles sehr gelassen und guter Stimmung sitzen Zoli, Slavisa und ich in der indischen Rumpelkiste und tigern los.

Als wir etliche Kilometer weit draußen halten, ist es schon am späten Nachmittag, aber noch hell. Slavisa und ich pirschen hinter Zoli her, um an eine große Kanzel zu kommen, wo wir alle drei schön Platz haben sollten. Der Jäger mit dem Traktor hat seit Tagen Maiskolben unweit davon abgeladen und meldete, dass die Kirrung gut angenommen ist von Rot- und Schwarzwild.

Geduckt lugt Zoli hinter den Bäumen in Richtung Kanzel, die auf einer breiten Lichtung etwa 300 Meter entfernt ist und eher wie ein militärischer Wachturm daherkommt. Abrupt bleibt er stehen und sogleich schießt mein Adrenalinpegel nach oben. So habe ich Zoli schon mal erlebt und und und...

 
 
 
 
 
 


Er winkt uns heran, da vorne stehen doch tatsächlich etliche Hirsche und Kahlwild.
Am späten Nachmittag, mir verschlägt es die Sprache.
In einem weiten Bogen umschlagen wir die Lichtung und nähern uns gegen den Wind von einer anderen Seite. Das Gelände zur Kirrung steigt hier erheblich an und nachdem Zoli die Hirsche ausgespäht hat, vermeldet er, der Zweite, der da vorne steht und friedlich äst, ist frei, den soll ich schießen, wenn er mir gefällt. Ein Zwölfender vom 8. Kopf, ein bisschen stärker von den Geweihstangen wie mein erster, das trifft sich gut!

Ich robbe durch den Wald auf die Lichtung zu, wie zu Bundeswehr-Zeiten. Etwa 100 Meter, bis eine erhöhte Bodenkante kommt, auf der ich hinüberschauen kann zur Lichtung. Die Waffe in den Händen, den Rucksack auf dem Rücken und mit den Ellenbogen schiebe ich mich langsam und verhalten auf die Lichtung zu!

Dann ziehe ich den Rucksack vom Rücken und während ich den Hirsch in etwa 120 Meter Entfernung fixiert habe, platziere ich meine .30.06er Baikal in Schussrichtung und drücke ab.
Ich sehe noch, wie der Hirsch auf der Stelle zusammenbricht, der Spießer, der links neben ihm stand, dreht herum und flüchtet in hohen Sätzen zurück in den Bestand. Es ist vorbei.

Als wir zu dritt um den Hirsch herumstehen, stelle ich fest, dass ihm eine Eissprosse fehlt, im Ansatz ist sie wohl bei einem Kampf abgebrochen, das macht ihn für mich unverkennbar.
Das hätte ich mir auch nicht mehr träumen lassen. Morgen geht es schon heim und ich habe meinen zweiten Hirsch geschossen. Jetzt ist meine Jagd hier vorbei, der russische Jeep holt unsere Beute. Zoli und der zweite Jagdführer versorgen sie sogleich.

Nach vielen Glückwünschen, auch von unserem hoch motivierten Küchenpersonal, das wieder mal viel zu viel auffährt, lassen wir es uns noch einmal schmecken, trinken zusammen ein paar Slivovic und warten auf den nächsten Morgen, schon in Reisestimmung.

Dann kommt unser Chefjäger, er bringt mir die ausgekochten Hirschschädel, misst sie aus und verpackt sie mit der Kunst eines Profis, denn die beiden Geweihe werden wir gleich mitnehmen in unseren Flieger nach Deutschland.

 
 
 
 
 
 


Das entpuppt sich als möglich, wir sind schon durch den Zoll und Slavisa und ich freuen uns, als wir zusehen können, wie unsere beiden Jagdtrophäen in Belgrad ins Flugzeug verladen werden.

Gerne werde ich wiederkommen, hier an die Donau, die mich schon ein Leben lang begleitet hat und so etwas wie eine große Heimat ist für mich. Danke an Zoli, meinen unermüdlichen Jagdführer. Danke an Slavisa, der mir zur Seite gestanden ist, wann immer ich ihn brauchte, wir sehen uns
Mit freundlichem Waidmanns heil!
Karl Holzinger


Elchjagd in Udmurtien


Schon dreimal in drei Jahren war ich unterwegs, hier in den riesigen russischen Wäldern, um an der Lockjagd auf Elchhirsche teilzunehmen. Und dreimal ist so gar nichts draus geworden, sei es das Wetter hat nicht gepasst, die Elchbullen standen woanders, hat man mir erklärt oder der nachgeahmte Lockruf war für diese Elchbullen nicht Herausforderung genug, um ihm zu folgen! Nun denn, Spannung liegt in der Luft! Unser Jagdchef Wladimir hat mir einen Spezialisten auf Elchbrunftschreie versprochen und der lässt auf sich warten.

Heute liege ich in meinem Zimmer, für kurze Zeit gemietet von dem Jagdhof hier in Kopki, der offene Heizkreislauf gluckert und blubbert so vor sich hin, da höre ich energische Stiefelschritte heraufkommen und ein Klopfen an meine Zimmertüre reißt mich aus meinem geistigen Dämmerschlaf. Sergey, mein stetiger Begleiter steht im Türrahmen und aufgeregt übersetzt er die Gesprächsfetzen, die ihm, hinter ihm stehend, Wladimir auf Russisch zuwirft! Eine Sau haben sie gestellt, irgendwo draußen hat der Jäger Alexander mit ein paar Lajkas eine Sau, ja wohl einen großen Keiler, gestellt. In einer Dickung und ob das was für mich wäre, den zu bejagen? Ein gemischtes Gefühl von sportlicher Herausforderung, verbunden mit einem gewaltigen Schuss Adrenalin steigt in mir auf und schon stehe ich in meinen Bergstiefeln, bereit zu tun, was zu tun ist!

Wladimir und ich sitzen im Uaz und ein kampferprobter Lajkarüde begleitet uns hinaus aus dem Dorf, entlang der sandigen Hauptstraße und per Handy-Anweisung biegen wir ab in einen unkultivierten Waldweg! Da sehe ich Alexander stehen am Rande eines mit übermannshohen Pionierholzarten bewachsenen riesigen Waldstreifens und er winkt uns heran. Wladimir rumpelt mit seinem Uaz über das abgeerntete Feld, wir springen aus dem Wagen und sogleich dringt uns hitziges Gebell, das aus der uneinnehmbaren Dickung vor uns liegt, entgegen! Ein paar Worte wechselt Wladimir mit seinem Bruder Alexander und deutet mir mit der Hand die Schulterhöhe, in etwa einem Meter, der wohl für einen Moment gesichteten Sau! Ich glaubte erst mal Wladimir scherzt etwas, als er Zeichen gibt, in diese Dickung hineinzugehen und die Sau zu stellen! Ich denke gerade an meine deutsche solide Jagdausbildung, in der so eine Aktion undenkbar wäre und als lebensgefährlich eingestuft wird. Da ich kein Russisch kann, versuche ich Wladimir gestikulierend zu erklären, seine Lajkas sollen die Sau heraustreiben? Aber ich verstehe dann auch irgendwie seine Antwort: Die Sau kommt nie freiwillig heraus! Ich nehme den 5-schüssigen Selbstlader, den Wladimir dabei hat, von ihm entgegen und schiebe vier 7,62 mm Kaliber Patronen in das Magazin. Den mitgebrachten Lajka Schoroch lassen wir von der Leine und hinein geht's hinter ihm in die Dickung, mit klopfendem Herzen und dem unguten Gefühl, der auf mich zukommenden Situation vielleicht nicht gewachsen zu sein!

Ich ziehe alle Register meines genetisch veranlagten und gelernten Vorsichtskalküls. Gott sei Dank gegen den Wind und auf möglichst leisen Sohlen hier in dem urwaldgestrüppartigen Untergrund, bewege ich mich auf das von Hundegebell umgebenen und gestellten "Etwas" zu. Wladimir folgt in einem etwa drei Meter Abstand und mit Entsetzen stelle ich fest, dass er nicht mal bewaffnet ist. Nur vier Meter maximale Sicht peitschen mein Adrenalin in die letzten Haarspitzen, immer wieder höre ich, wie die Sau die Hunde umherjagt! Und sie wechseln das Terrain immer tiefer in diese undurchdringliche Hölle.

Dann komme ich auf Sichtnähe heran, ein grauer Koloss steht da in Breitseite und ich lege an. Da tanzen auch schon die vier Hunde um die Sau herum und mit einem Satz verschwindet die Sau wieder in der Dickung, verfolgt von den Lajkas. Das wird so nichts, stößt es mir herauf! Was soll ich tun?

Ich gehe zurück an den Rand des udmurtischen Urwaldes und achselzuckend kommt Wladimir hinterher. Da höre ich wieder die betörenden tiefen Blaslaute der Sau bedrohlich näher kommen, begleitet durch das kreischende Hundegebell und nach einem entschlossenen Blick in die Augenpaare der beiden Rijabov-Brüder wage ich einen neuen, aber letzten Versuch der großen Sau habhaft zu werden.

Ich pirsche hinein in das Dickicht immer weiter und näher an das Hundegebell heran. Die gesamte Körperspannung konzentriert sich auf die Augen und Hände, um schnell zu reagieren, die Waffe ist gespannt aber noch gesichert und als ich eine kleine Lichtung quere, sehe ich einen Husky herankommen, er zeigt mir den Weg zurück ins Dunkle der Urwaldhölle und ich folge ihm drei, vier Meter hinein, dann sehe ich sie. Die Sau steht etwas spitz, ihr Hinterteil mir zugewandt, hält sie die Hunde in Schach, meine Körperspannung entlädt sich: entsichert, angebackt und schon faucht eine Kugel hinaus und die Sau empfängt das Geschoss hinter dem Blatt mit einem kurzen Zusammenzucken, dreht sich zu mir herum, um dem wahren Feind in die Augen zu schauen. Verwundert, dass sie nicht liegt, nehme ich gerade noch zur Kenntnis wie die Sau zum Spurt auf mich loslegt und mich annimmt! In diesem Augenblick habe ich sie wieder im Visier und über Kimme und Korn lasse ich in wenigen Sekunden drei weitere 7,62 mm Kugeln fliegen. Nach dem letzten Echo der Salve fällt die Sau vielleicht drei Meter vor mir in sich zusammen.

 
 
 
 
 
 


Mein Gott, war das ein Spektakel! Wladimir kommt nun freudestrahlend heran und wir umarmen uns kurz. Aufgeregt rufen wir Alexander, der draußen natürlich die Schießerei mitbekommen hat. Nun schaue ich mir meine Jagdbeute näher an, es ist eine Sau, kein Keiler, ich bin etwas enttäuscht, Wladimir meint, etwa 160 Kilo wird sie wiegen und etwa neun Jahre hat sie auf dem Buckel. Wir rufen noch Verstärkung herbei und zu fünft ziehen wir die große Sau aus der Dickung. Nun beginnt die traditionelle Zerwirk-Zeremonie zu Hause im Jagdhof. Irgendwie versuche ich nun bei Wodka und Speck dieses Erlebnis zu verarbeiten, meine russischen Kunden haben das alles mitbekommen und wollen Details wissen, alle Jäger kommen zum Feiern zusammen und ich lasse Wladimir unmissverständlich übersetzen, dass so eine Aktion auch anders ausgehen könnte! Der bäfft zurück, indem er meine sicheren Treffer als chancenlos für die Sau in die Waagschale wirft. Das ungute Gefühl bei mir bleibt dennoch zurück, weil ich auch gesehen habe, dass die schwache Ladung der 7,62x54 mm Kaliber Patronen keine sofort tödliche Wirkung erzielten.

Die nächsten Lockjagden auf Elch sind wieder nur von schlechtem regnerischen Wetter begleitet, alle Jäger, die Wladimir mit hinaus in den Wald nimmt, strengen sich an, einen Elchbullen auszukundschaften und Wladimir versucht in allen Tonlagen der Tages-Situation angepasst, einen Elchbullen anzulocken! Der versprochene Spezialist für Elchbrunftschreie ist auch nicht gekommen. Mit Wladimir klappt das einfach nicht. Missmutig glaube ich nicht mehr an einen Erfolg, eine knappe Woche lang haben wir diesmal wieder alles versucht. Mir bleiben nunmehr zwei Tage Zeit und ich entschließe mich heute auf Keiler anzusitzen. Da kommt Wladimir und schimpft mit Sergey herum, der ihm die Nachricht überbringt, weil er bereits andere, russische Jagdgäste auf die exponierten Keileransitzplätze verteilt hat! Er ist enttäuscht, dass ich den Glauben in seine jagdlichen Elchlock-Fähigkeiten verloren habe! Sergey versucht zu vermitteln und ich weiche dem Druck, den die draußen wartende Jägermannschaft in dem mit laufendem Motor stehenden Uaz-Bus irgendwie auf mich ausübt!

Eineinhalb Stunden später finde ich mich wieder stehend, mit einem geladenen Repetierer im Urwald und warte auf irgendein Zeichen eines Elchbullen, der dem Lockruf von Wladimir nicht widerstehen kann. Alle Sinne sind geschärft, aber der Himmel verdunkelt sich und jetzt gegen 17:00 Uhr fängt es auch noch zu regnen an. Da sieht auch Wladimir, dass die Erfolgsaussichten heute gegen Null sinken! Wir gehen zurück zu unserem geländegängigen Bus und warten! Immer wieder verlässt einer der rauchenden Jäger den Bus, um im strömenden Regen seinen Nikotinspiegel aufzufüllen, im Bus macht sich langsam eine unsympathische Geruchswelle breit, eine Mischung aus Schweiß, moderigem Urwaldgeruch und Nikotin! Toll, wäre ich bloß nicht mitgefahren, aber ich tröste mich, dass es auch auf einer Sitzleiter bei diesem Regen nicht angenehm geworden wäre.

Da reißt der Regen plötzlich ab, Hoffnung keimt in mir auf. Draußen perlen die letzten Regentropfen von den Blättern und beinahe mannshohen Farnen. Es klart wieder auf, der Mond kommt hinter den Wolken hervor und taucht jetzt gegen 20:00 Uhr alles in die mir wohl bekannte gespenstische Urwalddämmerung! Sergej, der Oberjäger von Wladimirs Jagdhof, führt mich einen Wildwechsel entlang, der schwache Wind bläst uns ins Gesicht und Wladimir lässt etwa 40 Meter hinter uns seinen 'oouuaacchhhhh' Ruf hinaus trällern. Immer wieder bleiben wir stehen und hören in die Nacht hinein, ob irgendwas zu hören ist.

Plötzlich zuckt Sergej zu mir herum und meint, da vorne war was! Vor uns liegt eine typische Urwaldvegetation, teils hohe, aber in lichtem Abstand stehende Kiefern und dazwischen die Weichholzgestrüppe. Halbwüchsige Birken und Erlen runden das Bild ab. Da, da höre ich plötzlich etwas durch den Wald brechen, Holz knackt und wie so manches Mal in meinem Jägerdasein, schnellt sofort mein Adrenalinpegel hoch und mein Herzschlag pocht bis in die Halsschlagader.

Wladimir hat hinter uns alles mitbekommen und fordert nochmal, aber diesmal etwas verhaltener, den vermeintlichen Elchhirsch zum Duell heraus. Da kracht es wieder vor uns auf etwa 100 Meter und etwas tobt durch den Wald auf uns zu! Im Anschlag stehend warte ich auf meine Chance, plötzlich wirft da ein Elch etwa 70 Meter vor mir im Mondlicht sein Haupt nach oben und ich sehe für einen Moment gewaltige Schaufeln aus den Urwaldgebüschen heraus ragen und im Mondlicht blitzen. Ich nütze die Gelegenheit und beinahe routiniert fahre ich innerhalb meines Absehens den Schaufeln entlang hinunter, wo für einen Moment unter dem starken Rist der linke Vorderfuß zu sehen ist und lasse fliegen! Die Antwort kommt prompt! Etwa eine Minute lang ist ein fürchterliches Knacken und Brechen zu hören, dann ist es still.

Wladimir kommt heran und gibt Zeichen, dass er weiter hinten auch einen Elchbullen gehört hat! Wenn schon, denn schon! Gerne tue ich ihm und mir den Gefallen, vielleicht einen zweiten Elchbullen zu Fall zu bringen, eine halbe Stunde suchen wir aber vergeblich nach einem Zeichen seiner realen Existenz. Dann gehen wir zurück um endlich, endlich nach meinem großen Hirsch zu schauen. Sergej und ich sind uns nicht ganz einig, wo der Hirsch nun genau beim Schuss gestanden hat. Ich beharre auf meiner Vermutung, aber wir finden bei meinem Platz genau so wenig wie an Sergejs vermuteter Stelle. Ich begreife nicht, da muss mindestens Lungenschweiß sein und weit kann der Hirsch nicht mehr gekommen sein. Im Schein meiner Stirnlampe suche ich emsig umher, für meinen Schuss bin ich mir absolut sicher, so habe ich doch den geliehenen Repetierer auf einem selbstgebauten Schiessstand hier, auch mit der mitgeführten 30.08 Munition erfolgreich eingeschossen. Trotzdem macht sich Unbehagen in der Magengegend breit.

 
 
 
 
 
 


Als ich aber plötzlich etwa 50 Meter vom vermeintlichen Anschuss einen gewaltigen Schweissspritzer finde, jubelt meine innere Gefühlswelt, nach außen versuche ich natürlich cool zu bleiben. Eine Farngruppe ist in einem Durchmesser von etwa 70 Zentimeter voller roter Schweissspritzer, also, mein erster Elchhirsch scheint gerettet! Wladimir kommt heran und prüft das Gefundene. Aber zur Vorsicht lässt er den mitgebrachten Lajka vom Uaz-Bus holen und Wladimir und ich folgen dem spurlauten Husky durch den immer dunkler werdenden Urwald hier an der Grenze zu einem großen Naturschutzgebiet, den Permwäldern, immerhin so groß wie die ganze Gebietsfläche Niederbayerns!

Als etwa 150 Meter vor uns der Husky sein Gebell stimmlich erhöht, pirschen Wladimir und ich heran, um dem Hirsch gegebenenfalls den Fangschuss zu geben. Aber was ist das, das Hundegebell bewegt sich deutlich von uns weg, ich fasse es nicht, immer wieder diese riesigen Schweissspritzer und der Hirsch liegt nicht? Auch Wladimir ist überrascht, reagiert aber absolut richtig, nur Hinterhergehen lässt er zu, als das Hundegebell wieder knapp vor uns ist, gibt er Zeichen stehen zu bleiben, ich glaube, er ahnt, was passiert ist. Ich zweifle an all meinem Wissen und Erfahrung über die Wirkung eines Blattschusses. Meine erste erfolgreiche Elchjagd und dann sowas. Jetzt treffen nochmal Huskies ein, Sergej hat sie geholt und schon vervielfacht sich das Hundegebell, hier in diesem beinahe undurchdringlichen Urwald.

Einige Stunden folgen wir dem Hundegebell und merken, die Distanzen der Wartepositionen werden kürzer, aber an den Hirsch heran gehen lässt Wladimir nicht zu. Nach etwa 6 Kilometern und 4 Stunden Verfolgungsjagd sind die Hunde etwa 200 Meter vor uns. Der Jäger Sergej und ich bleiben zurück, Wladimir will alleine den Hirsch anpirschen und stellen. Das passt mir nicht ganz, aber er ist der Chef.

Sergej versucht nun verzweifelt, ein wärmendes Feuer anzufachen, er meint, das kann länger dauern. Es ist, gelinde gesagt, arschkalt geworden. Aber es gelingt nicht, es hat ja auch vor Stunden in Strömen geregnet und alle sind bis auf die Haut durchnässt.

Die Minuten vergehen, Wladimir und Sergej sind mit Funkgeräten verbunden. Dann kracht plötzlich ein Schuss durch die Nacht und Sergej wird Augenblicke später ans Funkgerät delegiert. Dann höre ich schon seine hastigen Wortauswürfe, "Bolschoj, Bolschoj" und immer wieder das Wort "Bolschoj" bricht aus ihm heraus, wir packen alles zusammen, treten und pinkeln das Feuer aus und suchen die Richtung zu Wladimir und meinem Hirsch. Nach etlichen Stürzen über Stock und Stein lande ich vor meinem Hirsch und kann meine Überraschung kaum unterdrücken, da liegt ein Riesen-Elchbulle mit gewaltigen Schaufeln und die Hunde tanzen um ihn herum.

 
 
 
 
 
 


Jetzt weiß ich auch was das russische Wort 'Bolschoj' heißt und alle drei beglückwünschen wir uns gegenseitig, so einen gewaltigen etwa 600 Kilo schweren Koloss zur Strecke gebracht zu haben. Mein Einschuss liegt gut, genau auf dem Blatt, zu 90% liegt mein Delinquent dann im Feuer und für gewöhnlich dringt das Geschoss dann durch das Schulterblatt in die Lunge und das angeschossene Tier haucht binnen von Minuten das Leben aus. Wladimir gibt mir zu verstehen, dass hier wohl die Geschossenergie nicht gereicht hat, innere Organe wie die Lunge zu erreichen und so ist der Hirsch auf drei Beinen noch soweit gekommen. Allerdings, als er ihn gestellt hat, lag er wohl schon tot auf dem Boden, aber zur Vorsicht hat Wladimir nochmal einen gezielten Schuss auf das Haupt abgegeben. Die vielen, von den Hunden ausgerissenen Deckhaare zeugen auch davon.

Nach einem spaßigen Fotoshooting geht es darum, den Hirsch zu bergen und Wladimir fordert irgendwie funktechnisch Verstärkung heran. Der Oberjäger Sergej fängt an den Koloss zu zerwirken und schneidet nach einem erlernten Muster fachgerecht die Teile zu tragbaren Stücken von etwa 60-70 Kilo. Dann schlagen wir Stöcke ab und bis in den frühen Morgen hinein tragen wir die Fleischbrocken hinaus aus der grünen Hölle, um sie auf den Uaz LKW zu laden, der mittlerweile eingetroffen ist. Ich entschließe mich, ein gesamtes Kopf-mit-Hals-Präparat machen zu lassen und erkläre Sergej, wo er mit dem Schneiden der Hirschdecke anfangen soll.

 
 
 
 
 
 

Als wir voll beladen gegen 10:00 Uhr vormittags im Jagdhof eintreffen, warten alle, um dann in einer großen Runde, auch mit meinen Kunden Michael und Andrew, das Ereignis ausgiebig zu begießen. Mit viel russischem zeremoniellen „Waidmanns Heil“ Aufwand, vergessen wir alle dagewesenen menschlichen Spannungen und ich freue mich endlich auf mein, wenn auch gemietetes, russisches Bett. "C’est la vie", so ist die russische Jagd!

Für mich waren das wie immer viele spannende und lehrreiche Momente, vielen Dank an die gesamte russische Mannschaft, auf ein baldiges Wiedersehen!

 
 
 
 
 
 



Wolfsjagd in Udmurtien


Bereits im Herbst vor zwei Jahren hat Wladimir Rjabov, Sergey und mich zur Lappjagd auf Wölfe hier nach Kopki in sein großes Revier eingeladen. Annehmen können wir die Reise erst jetzt, Ende Januar 2012, denn im letzten Winter gab es keinen Spielraum in meinem beruflichen Terminkalender. Und so sind wir beide einen Tag vor meinem Geburtstag unterwegs mit dem Flieger nach Moskau, um dann mit unseren Russischen Kunden und Freunden, Michael und Andrew, gleich weiter zu reisen. Mit dem Nachtzug ins weit entfernte Udmurtische Land, nach Osten, kurz vor das Uralgebirge.

18 Stunden dauert die Fahrt. Zu viert in einem typisch kleinen, aus den 60er Jahren stammenden Schlafwagenabteil, nebst noch älterer weiblicher Zugbegleiterin. Das lässt bei uns dann auch gleich den westeuropäischen Zivilisationsmechanismus abklingen. Da wir besteckmäßig mit nur einem Messer ausgerüstet sind, mampfen wir gemeinsam und ungeniert unsere vor der Reise im Moskauer Supermarkt erstandenen Fresspakete weitestgehend mit den Fingern.

Ausgestiegen in irgendeinem kleineren Bahnhof, irgendwo kurz vor der Hauptstadt Ischewsk, pfeift uns sofort ein anderer, ein saukalter Wind ins Gesicht. 17 Grad Minus hat es hier momentan und der Chef- Mechaniker vom Jagdhof, der uns gerade in Empfang nimmt mit seinem UAZ-Bus meint 'die letzten Tage hatte es hier bis unter 30 Grad Minus und jetzt wäre gerade eine seltene Wärmeperiode'.

Gut, dass ich noch schnell in Deutschland eine mit Schaffell versetzte Unterwäsche- Garnitur erstanden habe und so ich schaue dieser kalten Herausforderung gelassen entgegen. Habe ich doch bei meinem letzten Besuch hier russische Winterjagdklamotten eingekauft, die jetzt zeigen müssen, dass sie ihr Herrchen auch schön warm halten können.

'Priechali' heißt 'Angekommen' auf Russisch und in der großen Jagdhütte hier am Rande des kleinen Dorfes Kopki ist der Teufel los, als wir vier da einfallen. Viele unserer Bekannten sind da, der Jagdchef Wladimir, sein Sohn Artem mit Frau, unsere Köchin Tanja und die Freundin vom Chef, die sonst alle Dinge in der Hand hält und für unser Wohlergehen zuständig ist. Ein schweres Abendessen folgt mit Speck, Fleisch gemischt vom Bär, Elch und Keiler, in Form von Hacksteaks. Dazu jede Menge Wodka und es zeigt mir, dass ich angekommen bin, denn all das gehört dazu zum Leben hier in dieser urtypisch unendlichen Weite Russlands, mit all seinen jagdlichen Herausforderungen.

Bereits um 8:30 Uhr müssen wir Antreten am nächsten Morgen. Filzstiefel für ein paar Euro versetzen mich in Erstaunen, diese etwa einen Zentimeter dicken Socken zu Stiefeln erstarrt, sollen Sergey und mich bei diesen eisigen Temperaturen warm halten?

Unter 20 Grad minus zeigt das Thermometer heute Morgen und ich bekomme auch noch einen weißen, nach Stall riechenden Schneetarnanzug zugeteilt, der mich wir eine Zwangsjacke in meiner gewohnten Bewegungsfreiheit behindert.

 
 
 
 
 
 


Und los geht’s, 'Aufgesessen' hinter dem Chef Wladimir, auf einem fast neuen Scandi Bombardier-Motorschlitten nehme ich Platz und fasse es nicht: Auf einem Bob ähnlichen Anhänger müssen zwei Jäger Platz nehmen, nein, sich hineinzwängen und kuscheln, damit sie nicht bei der kleinsten Kurve herausfliegen und im etwa 1,20 Meter tiefen Schnee versinken!

Hinter uns fährt der Jäger Sergej noch mal so ein Gespann, aber mit einem wesentlich älteren Bombardier-Motorschlitten und auch da sitzen zwei Berufsjäger auf dem Anhänger und wickeln sich zum Schutz vor dem aufwirbelnden Pulverschnee mit einer großen Plastikplane bis über beide Ohren ein! Das kann ja heiter werden!

Große Möglichkeiten mich festzuhalten gibt’s hier nicht, ich will auch dem Jagdchef nicht zu nahe kommen, deshalb suchen meine Hände Halt hinter mir an einem Gepäckträgergestänge.

Bis zu 70 Stundenkilometer ist der Motorschlitten schnell und Wladimir zeigt, dass er das Teil beherrscht. Wir flitzen durch die weiße Pracht, so dass der Pulverschnee zu einer riesigen Staubwolke aufgewirbelt wird und weithin sichtbar ist. Zweimal verlieren wir unseren Anhänger und Wladimir muss zurückfahren und suchen! Ich glaube, die beiden Jäger Artem und sein Kuschelpartner verfluchen diese Art der Mitfahrgelegenheit. Der Anhänger und seine Insassen sind bereits total Schnee- und Eisverkrustet, so dass es ein scharfes Auge braucht, um sie in dieser mondänen Schneelandschaft von weit hin zu erkennen. Etwa 12 Kilometer müssen wir fahren und Wladimir deutet mir unterwegs ab und an Spuren von Wölfen und Elche, wenn ihre Fährten unseren Weg kreuzen.

 
 
 
 
 
 


Plötzlich taucht vor uns ein mit roten Wimpeln beflaggter Draht oder Schnurr auf, Knie hoch aufgehängt an der Busch Vegetation und schon donnert unser Gefährt darüber. Hinter uns sehe ich, wie er wieder hoch hüpft, ich glaube es ist ein biegsamer Stahldraht und unser Gefährt wird langsamer, wir sind 'Priechali'!

 
 
 
 
 
 


An einem auf drei Seiten übersichtlichen Platz, in diesem eingekreisten Waldstück, bleibt der kleine Konvoi stehen, hier sollen sich angeblich vier Wölfe aufhalten. Gefährtet wurden die schon vor drei Wochen, als immer wieder frische Risse an Elch und Schwarzwild auftauchten. Die hiesigen Berufsjäger haben dann diese vier Wölfe anhand der Spuren im Schnee verfolgt und mit der Lappmethode eingekreist. Immer wieder verkleinerten sie den Bewegungsspielraum des Rudels und nun stecken die vier hier fest, in dem etwa 1,5 Quadratkilometer großen Waldstück, umrandet von Niedrigholz Gewächsen und Büschen, oder lichte, von der Natur ausgedünnte Waldwiesen. Zumindest kommt es mir so vor, denn hier liegt momentan eine dicke Schneedecke von bis zu 1,20 Meter und da schauen nur mehr die Spitzen der buschartigen Naturverjüngung aus der Schneedecke.

Alle 5 Berufsjäger von Wladimir sind mit hier herausgefahren, um auf ihren skiartigen Brettern die Wölfe in unsere Richtung aus dem Wald zu drücken. Als ich mit meinen Filzstiefeln in die Halterung der Jägerski schlüpfe um mal zu testen, wie man da vorwärts kommt, merke ich, wie unbeholfen ich damit umgehen kann.

 
 
 
 
 
 


Wladimir gibt jetzt Anweisungen an seine Jäger, die machen sich fertig, um entlang der Lappleine oder Draht in einer Treiberlinie das eingezäunte Waldstück zu durchkämmen und uns/mir das vermeintliche Wolfsrudel zu zutreiben. Eine explosive, jagdliche Hochspannung liegt in der Luft, die Gemüter aller Beteiligten sind sichtlich aufgeregt und voller Adrenalin.

Ich stecke meine doppelläufige Schrotflinte zusammen, eine Jch 27 Baikal, russischer Standart. Den Umgang damit habe ich schon bei meinem letzten Jagdaufenthalt im Herbst letzten Jahres hier gelernt. Wladimir gibt mir eine Handvoll Schrotflintenmunition und beim genaueren hinsehen ist es die schon öfter angekündigte und auf Wolfjagd übliche, für mich bereits legendäre Kartech Postenmunition, Kaliber 12/70. Es stecken neun große Kugeln mit einem Durchmesser von 8,5 Millimeter in der Plastikhülse mit dem aufgedruckten Wolfskörper.

 
 
 
 
 
 


Jetzt noch mal heißen Tee schlürfen, dann weist mich Wladimir in mein mögliches Schussfeld ein. Auf drei Seiten könnten da ein Wolf oder die Wölfe versuchen entlang der Lappleine mit einem Sprung zu entwischen. An die Lappleine sind im Abstand von etwa einem halben Meter rote Wimpeln aus Tuch geknotet und signalisieren für das menschliche Auge markant die Grenze des eingezäunten Bereiches. Die Wölfe nehmen die rote Farbe nicht wahr, sie erkennen nur eine Schwarz-Weiß Färbung, die flackernden Stofffetzen verströmen menschlichen Geruch und deshalb trauen die Wölfe sich nicht diese Geruchs- Barriere zu durchbrechen. Zusätzlich sind die Stofffetzen vorher noch mit Kamin-Rauch angeräuchert worden.

 
 
 
 
 
 

 

Wladimir steht mit einer Handy-Kamera hinter mir und will das kommende Spektakel filmen, ich fühle mich irgendwie als Statist, auf jeden Fall beobachtet und das passt mir gar nicht so in den Kram!

Mit einem Funkgerät sind die Treiber mit dem Jagdchef Wladimir in Verbindung und immer wieder kommen aufgeregte russische Gesprächsfetzen an mein Ohr, was ich als gutes Omen für Wolfskontakt werte.

Sergey, mein deutscher Begleiter übersetzt an und wann, er ist auch mit einer Schrotflinte ausgerüstet und hilft mir bei Problemen.

Dann plötzlich aufgeregtes Getuschel hinter mir und ich sehe ein dunkles spitzes Wolfsgesicht aus dem Wald herüberschauen, gleich gehe ich in Anschlag, noch unschlüssig, denn der Wolf wird von vielen Baumstämmen verdeckt, dann springt der Wolf ab, ich lasse einen Posten hinterher krachen, aber schlecht gezielt, oder einfach zu weit weg und die Bäume sind im Weg. 'Verdammt' das hätte ich bleiben lassen sollen! Ich presse meine auf den Lippen liegenden Flüche wieder hinunter, aber Wladimir lässt sie ungeniert heraus, er ist enttäuscht! Sofort Nachladen und auf Position gehen. Das fängt ja gut an, verdammter Mi.

Dann ein Funkspruch! Ein Wolf hat die Lappleine übersprungen und ist ausgebrochen, ein Jäger hat die Spur gesehen. Sofort aufgesessen und Wladimir düst mit dem Motorschlitten in dessen Richtung. Ich sitze hinten drauf, in Vorhalte meine doppelt geladene Schrotflinte und mein Puls schlägt Purzelbäume.

Auf dem Anhänger liegt Sergey mit einer geladenen Schrotflinte. Plötzlich vor uns versucht ein Schäferhund großer Wolf in den angrenzenden Wald zu entkommen. Etwa 35 Meter hinter dem Wolf bringt Wladimir sein Gefährt zum stehen. Der Wolf ist schon an der Bestandsgrenze, da rechts vor uns und ich muss gegen meine Schieß-Gewohnheit aus dem Sitz heraus rechts hinaufschießen. Die Waffe schwenkt herum um sie gleich zu entsichern, anbacken kann ich sie nicht wegen der Sitzhaltung und wenn ich absteige, würde ich einen Meter im Schnee versinken, dann ist der Wolf weg.

So gut es geht schaue ich über das Balkenkorn, presse den Flintenkolben auf meine Brust und lasse fliegen, der Wolf zeichnet sofort, springt aber weiter in Richtung Bestand. Einen zweiten Posten jage ich noch hinterher und auch Sergey entlädt seine Flinte, kniend auf dem Boden des Anhängers, aber der Wolf ist längst im Wald verschwunden.

Wladimir flucht, weil er als Fahrer nichts filmen konnte und fährt heran an die Spur des Wolfes am Bestandseingang. Der Jäger Andrew ist schon vorher da und geht mit seinen Skiern hinein der Spur hinterher und bleibt nach 25 Metern vor einem Fichtenbaum stehen.

Ich kämpfe mich durch den hohen Schnee bis zu Andrew und sehe, dass sich unser Wolf in ein Loch unter den Fichtenstamm eingeschoben hat, das der Schnee nicht zuwehen konnte, weil die vielen Äste der Fichte den Schnee oben tragen. Er liegt da unten zusammengekrümmt und als der Jäger Sergej mit einem Stecken hinein stochert, sehen wir deutlich, dass der Wolf noch atmet; das ist gefährlich, alle halten sich zurück!

Dann positioniere ich mich mit geladener Waffe eineinhalb Meter vor das Loch und der russische Jäger Sergej stochert abermals hinein und macht zugleich den Eingang und damit das Blickfeld größer. Plötzlich dreht sich der Wolf und sein helles Gesicht taucht aus dem Loch heraus auf, ich weiche etwas zurück und versetze dem Wolf einen Fangschuss in den Oberkörperbereich.

 
 
 
 
 
 

 

Nach einer Weile berge ich den toten Wolf und als ich ihn so in meinen Armen halte, reißt meine Jagdleidenschaft sofort ab und ein ungutes Gefühl macht sich breit.

Als man mir gratuliert und mir so etwas wie 'Weidmannsheil' auf Russisch wünscht, habe ich die Gedanken bei meinem ehemaligen Schäferhund Sascha, denn ich 'sprichwörtlich' tot von der Straße kratzen musste, ein Auto hatte ihn beim Katzenjagen überrollt. Der Wolf hier fühlt sich genau so an und riecht auch so!

Aber gleich bin ich abgelenkt, gemeinsam fahren wir etwas außerhalb des abgesteckten Lappgebiets, schlagen Holz und machen Feuer. Mitgebrachte Bratwürste, Brot und Wodka lassen eine gute Stimmung aufkommen, Wladimir dreht mit der Kamera seine Runden und spricht das Szenario in das Kamera-Aufnahmeband. Ich höre, dass er einen Dokumentarfilm drehen will und er inszeniert ein Frage- und Antwortspiel mit mir, dem Jäger über das 'Warum und Weshalb' dieser Wolfsjagd hier in seinem Jagdgebiet.

 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 

 

Dann kommt der zweite Anlauf an diesem sonnigen und kalten 29. Januar - mein Geburtstag und ich bin auf ein weiteres Jagd-Abenteuer schon sehr gespannt!

Alle nehmen ihre Plätze ein, die Jäger schwärmen aus und versuchen das verbleibende Wolfsrudel aus dem Wald zu drücken. Wladimir, Sergey und ich stehen in Position auf der Drei-Seiten-Gelände- Übersicht. Dann geht es ganz schnell. Von weit höre ich die Treiber anrücken und Adrenalin versetzt mein Bewusstsein in höchste Alarmbereitschaft! Die Schrotflinte im Anschlag beobachte ich das Terrain. Plötzlich ein bewegter Schatten auf 40 Meter an der Bestandsgrenze, an einem Birkenbäumchen rieselt eine kleinen Staubwolke Schnee vom Geäst und jetzt steht er da, schwupp, in Anschlag und im Donner des losgelassenen Postengeschosses macht der Wolf noch einen Satz nach vorne.

Sergey lässt gleich noch zwei Geschoss- garben hinterher fliegen. Aber da ist er schon tot, meine Ladung hat ihn voll auf Breitseite erwischt.

Der Jäger Sergej kommt auf Skiern hinzu und zieht den toten Wolf aus dem Bestand.Ein paar Schluck Wodka und kräftiges Händeschütteln aller Beteiligten sind dann für unseren Kameramann und Regisseur ein gefundenes Fressen. Wir fahren den zweiten toten Wolf zur Feuerstelle und positionieren die beiden zurecht für ein paar Fotos mit meiner Kamera.

 
 
 
 
 
 


Mit Plane zugedeckt bleiben dann die Wölfe hier in ihrem Habitat zurück, denn andere Räuber trauen sich nicht an diese Beute heran, sagt Wladimir, der gefürchtete Wolfsgeruch hält sie davon ab. Außer Raben, aber dafür haben wir die beiden Wölfe zugedeckt und damit ihre Körper nicht verhitzen, schieben wir abgeschlagene Baumstämme unter die toten Kadaver, damit sie gut auslüften können.

Die Sonne zeigt sich schon weit im Westen, jetzt geht es zurück zur Jagdhütte. 'Aufgesessen': Die Prozedur vom Herfahren wiederholt sich, zweimal verlieren wir unseren Anhänger und suchen in der Fahrspur unsere Mitfahrer. Die verfrorenen Gesichter der zwei Jäger auf dem Anhänger widerspiegeln den Missmut zum Fahrverhalten ihres Jagdchefs und ich kann das sehr gut nachempfinden. Es ist nicht angenehm irgendwo vom Anhänger in den Schnee gekippt zu werden, um dann mit dem grinsenden Gesicht des Verursachers abgeholt zu werden, der erneut seinen pubertierenden Fahrgelüsten freien Lauf lässt.

Aber heute an meinem Geburtstag - 'Schwamm drüber' - ich lade alle Beteiligten zum Abendessen ein, da meint Sergey abends um 19:00 Uhr würde es für mich noch eine Überraschung geben!

Bis 19:00 Uhr ist es nicht mehr weit und ich ruhe mich ein wenig aus in meinem doch sehr gemütlichem Einzelzimmer hier in der großen Jagdhütte! Dann holt mich Sergey, der nebenan Quartier bezogen hat, ab und gemeinsam folgen wir dem Flur und der Treppe nach unten und treten ein in den reichlich mit Trophäen bestückten Jagdsalon, da geht plötzlich das große Licht an und mich trifft fast der Schlag: In Reihe stehen da über ein dutzend Menschen und fangen an zu singen - wahrscheinlich ein russisches Geburtstagslied! Eine hübsche Frau in russischen Folklore-Klamotten kommt auf mich zu und hält eine Begrüßungs- Ansprache. Sergey übersetzt mir die Zeremonie. Ich schäme mich ein bisschen, denn alle sind mächtig herausgeputzt und ich stehe da mit meinem ältesten abgetragenen Shirt und alter Jeans. Die Dame geleite mich zu Tisch und es gibt reichlich zu Essen, aber vorher erst mal ein 'Nastrovje' nach dem anderen. Wodka fließt in Strömen.

 
 
 
 
 
 


Auch ein Sängerpaar in Udmurtischer Tracht ist da, und die beiden singen uns ihre Lieder - fröhliche, schwermütige, immer sehr ausdrucksstark und: 'Mann, wenn ich die beiden mit ihren russischen Texten bloß verstehen könnte'.

 
 
 
 
 
 


Wladimir hält eine löbliche Rede auf mich, Sergey übersetzt wieder mal und läuft zur Höchstform auf, als auch noch Michael (mein Kunde) und fast alle am Tisch verbal über mich herfallen! Artig bedanke ich mich bei allen und merke, dass sie mich ernst nehmen. Ich fühle mich als Teil dieser Gesellschaft hier und freue mich, dass sich diese unerwartete Geburtstagsfeier tief in meinem Herzen eingräbt. Wladimir schenk mir dann so 'mir nichts dir nichts' einen präparierten Auerhahn und ich kann es kaum fassen. Dieser strenge russische Vollprofi Berufsjäger, dem man kaum etwas Recht machen kann, hat kameradschaftliche, ja richtig freundschaftliche Züge und das Herz am rechten Fleck.

Jetzt geht’s rund, es wird getanzt, gegessen, gesungen, eine riesige Geburtstagtorte wird aufgetragen und so langsam verliert jeder, mich eingeschlossen, die Scheu und lässt 'die Sau raus' oder vornehm gesagt, lässt sich tragen von der fröhlichen Gesellschaft bis weit hinein in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages.

 
 
 
 
 
 


An diesem fahren wir erst gegen Mittag hinaus, (Gott sei Dank) zu den noch verbleibenden zwei Wölfen, die feststecken sollten in dem von menschlichen Zivilisation- Gerüchen eingekreisten Waldstück.

Draußen angekommen, schauen wir erstmal nach den beiden toten Wolfsrüden, die mittlerweile steif gefroren und verborgen unter der Plane ausharren müssen.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass die beiden letzten lebenden Wölfe noch da sind, und Wladimir schickt seine Kundschafter aus um am Rande der Lappleine nach Spuren von eventuellen Übertritten der Wölfe zu suchen. Als sie entlang der Einzäunung am anderen Ende stehen, melden sie per Funk, dass keine Wolfsspuren nach außen zu finden waren, also müssen die beiden noch da sein und schon fängt das Treiben wieder an.

Wladimir, Sergey und ich stehen auf Position, ab und an rauscht das Funkgerät und wieder liegt diese eigenartige jagdliche Hochspannung in der Luft, zu sehen in den aufgeregten Gesichtern aller Beteiligten.

Dann eine heisere Stimme aus dem Funkgerät: Eine Spur führt nach draußen, schnell, ein Wolf ist über die Lappleine gesprungen!

Wladimir und ich kämpfen uns zum Motorschlitten und schon düsen wir hinüber, entlang der Lappleine und suchen nach der Austrittspur des Wolfes. Nach etwa 10 Minuten Fahrzeit entdecke ich weit weg der Lappleine einen Wolfskopf aus dem hohen Schnee herausragen und sogleich stoße ich Wladimir an, um ihm mit meinem ausgestrecktem Arm die Richtung zu weisen. Da entdeckt auch er den Ausreißer und mit einer viel zu scharfen Linkskurve landen wir beide kopfüber im hohen Schnee. Ich schaffe es noch meine Flinte oben zu halten und beide kämpfen wir uns aus dem Schnee und versuchen unseren Motorschlitten wieder aufzustellen.

Geschafft, und die Kiste läuft auch wieder, mittlerweile ist der Wolf schon weit weg und ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Wladimir sieht aus wie ein Schneemann und versucht nun dem Wolf den Weg zum rettenden Wald abzuschneiden.

Der Wolf läuft etwa 40 Meter vor uns und Wladimir bleibt kurz stehen, Gelegenheit für mich ihm eine Salve auf den Pelz zu brennen, was auch gelingt, Fellbüschel verstieben im Wind, aber unser Wolf ist nicht zu bremsen, weiter verfolgen wir den Isegrim.

Plötzlich, nach zwei weiteren Sätzen verlässt den Wolf die Kraft, Wladimir fährt auf 20 Meter heran und mit einem gezielten Schuss aus meiner Flinte findet seine Flucht ein Ende in dieser hohen, auch für Wölfe kaum zu überwindenden Schneedecke.

 
 
 
 
 
 


Ich berge den toten Wolf und ziehe ihn zum Motorschlitten, es ist wieder ein Rüde und mit Abstand der größte und schönste aller meiner Wolfsbegegnungen hier, wahrscheinlich das Alphatier in diesem kleinen Rudel.

Das muss anschließend ausgiebig gefeiert werden und als wir zurück sind und die Beute zeigen, beginnt das übliche Ritual mit all seinen Traditionen. Nach dem Anzünden von Holz an unserer Feuerstelle, präsentieren wir den Alphawolf für ein Fotoshooting zu den anderen beiden und ich merke, dass auch Wladimir hoch zufrieden und stolz ist über den glücklichen und spektakulären Ablauf dieses Jagdtages.

Satt und voll noch von gestern treten wir die Heimreise an, Wladimir fährt sehr zivilisiert zurück zum Jagdhof, unsere Beifahrer auf dem Anhänger danken es ihm, denn heute haben wir sie nicht ein einziges Mal verloren.

Ein Wolf ist noch draußen! Lebend! Wladimir will sie alle und teilt auf Morgen sein Team erneut ein. Ich verkrieche mich erst mal in der Sauna und gehe nach dem Abendessen sofort ins Bett. Ich bin platt von der Kälte, dem Wodka und der Aufregung der letzen Tage!

Von Tag zu Tag wird es kälter, heute zeigt das Thermometer weit unter 20 Grad unter Null und wieder geht’s raus, ein Wolf wartet noch!

 
 
 
 
 
 


Die Prozedur ist die gleiche. Angekommen verteilen sich die Jäger in zwei Gruppen und marschieren auf ihren Skiern die Lappleine entlang und melden, dass der letzte Wolf nicht ausgebrochen ist, es muss der Wolf sein, den ich bei meinem ersten Versuch gefehlt habe, der mit der dunklen Schnauze.

Ich postiere mich an der Stelle, wo die Übersicht am besten und der Schnee weitgehendst festgetreten ist, heute zieht kalter, gnadenloser Wind herauf und mich friert`s.

 
 
 
 
 
 


Die Ruhe vor dem Sturm wird jäh unterbrochen, als ein junger Jäger meldet, dass vor ihm ein Wolf die Lappleine übersprungen hat. Flugs klettert der Junge auf einen Baum, er hat keine Waffe dabei, das erfahren wir erst, als alles vorbei ist.

Wladimir lässt den Motor des Schlittens aufheulen und wir preschen los. Als wir den Wolf gerade noch vor dem Einwechseln in eine Fichtendickung einholen, meint Wladimir ich soll mit dem Schießen warten, bis er seine Kamera Filmbereit hat.

Verdammt, der Motorschlitten steht und der Wolf springt vielleicht 30 Meter vor uns in hohen Sätzen aber parallel zum Schlitten auf den Bestand zu, ich soll noch warten und muss wieder sitzend nach rechts schießen. Das liegt mir nicht und als Wladimir mit seiner Kamera einsatzfähig ist und das 'OK' zu Schießen gibt, schaut nur mehr der Kopf des Wolfes aus dem Schnee. Den Gewehrkolben an die Brust gedrückt, flüchtig über Lauf und Balkenkorn den Kopf anvisiert, lasse ich einen Posten raus und sehe, wie der Wolf den Kopf einzieht, wohl nur vor Schreck, denn ein Treffer war das nicht. Mit der Kamera in der Hand fährt Wladimir weiter, umrundet den Wolf und steht nun etwa auf gleicher Entfernung wie vorher auf der anderen Seite des Objekts. Nun geht es schnell und problemlos, kaum stehen wir, entsichert und angebackt, zischen die neun Kugeln hinaus und strecken mit mehreren Treffern den Wolf in den Schnee, deutlich sehen wir, dass ein oder zwei Kugeln der Schotgarbe darüber in der Schneedecke gelandet sind und genau zwei darunter. Ein perfekter Schuss, der mich sehr stolz macht, Wladimir freut sich und übermütig hüpft er im Schnee herum mit seiner Kamera. Wieder berge ich den toten Wolf, nein, diesmal war es eine Fähe und sie hat das dunkle Gesicht. Sie ist es, die ich mit meinem ersten Schuss auf Wölfe gefehlt habe.

Nun ist sie wohl zu Ende für mich, die Wolfsjagd hier und heute im großen Udmurtischen Wald. Wladimir meint das kleine Rudel ist vom Süden, vom großen Perm Naturschutzgebiet (das so groß ist wie ganz Niederbayern) eingefallen und er muss sein Wild schützen.

Die Population an Elch und Schwarzwild leidet hart unter den marodierenden Wölfen, vor allem in dieser Jahreszeit mit dieser hohen Schneedecke, in der die Flucht der Beutetiere fast aussichtslos ist.

Wir positionieren die Wolfsfähe zu den anderen drei Rüden und hören uns die Geschichte des jungen Jägers an, dem die Wölfin direkt vor die Füße gelaufen ist, als er sich mit seinen Skiern durch den Wald gekämpft hat.

 
 
 
 
 
 


Nun wird noch mal alles aufgefahren, was für ein Jäger- Picknick in der Wildnis notwendig ist. Es gibt zu meiner Überraschung Russische Tortellinis, (bestehend aus Keiler- und Elchfleisch) vorgekocht von unserer Köchin, die werden jetzt in einem Kessel über dem Feuer nochmals aufgekocht und schmecken 'perfekt'! Es folgen immer wieder Trinksprüche, denn auch die mitgebrachten Wodkaflaschen müssen leer getrunken werden. 'Auf unseren Jagderfolg', 'Nastrovje'.

 
 
 
 
 
 


Dann ein letztes gemeinsames Fotoshooting mit den vier erlegten Wölfen und nun wird abgeräumt, die Jäger schwärmen aus und rollen die Lappleine auf die selbstgebauten Holztrommeln.

Ich erweise meinen erlegten Wölfen die letzte Ehre und setze mich zu ihnen auf den Anhänger, auf den ich sie allesamt gepackt habe. Wir treten die Heimreise an. Meine Freunde Michael und Andrew kommen aus der Jagdhütte, als wir auf das Gelände des Jagdhofes einfahren und freuen sich mit uns. Ich weiß natürlich, ohne die notwendige Vorarbeit von Wladimir und seinen Jägern, hätte es diesen Jagderfolg niemals gegeben.

 
 
 
 
 
 


Die nächsten Tage fahre ich mit Sergej hinaus auf Spurensuche, er ist der beste Jäger und Spurenscout, den ich kenne und es ist einfach ein Abenteuer ohnegleichen, in der winterlichen Landschaft mit dem Motorschlitten den vielfältigen Aufgaben einer Revierkontrollfahrt nach zu kommen.

So bleibt mit nur noch, mich bei allen zu bedanken, für das überraschende und tolle Geburtstagsfest, das viele gute Essen, und und und...


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